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Strohmänner für Polens Medien?

■ Die „Passauer Pressegruppe“ übernimmt acht polnische Zeitungen – im Hintergrund steht der Bertelsmann-Verlag

Warschau (taz) – Abgeordnete der Regierungskoalition fürchten um die Unabhängigkeit der polnischen Medien. Sie fordern inzwischen ein Gesetz zur Begrenzung ausländischer Investoren in diesem politisch sensiblen Bereich. Argwohn erregt vor allem die Passauer Pressegruppe, die bereits den Zeitungsmarkt der Tschechischen Republik weitgehend beherrscht. Der Verlag, der unter anderem die Oberösterreichische Rundschau und die Neue Passauer Presse herausgibt, geht auf das Familienunternehmen Dr. Hans Karpfinger aus der Weimarer Republik zurück. In Polen hatte sich die Gruppe bislang eher zurückgehalten. Bisher ist sie lediglich an zwei großen südpolnischen Lokalzeitungen beteiligt.

Aber nun sind die Passauer dabei, ihr Engagement auszuweiten. Zu Hilfe kamen ihnen dabei die finanziellen Schwierigkeiten, in die der französische Großverleger Pierre Hersant geriet. Hersants Bankschulden sollen sich auf 700 Millionen Mark belaufen. In besseren Zeiten hatte der Verlag viel Geld in den polnischen Medienmarkt gesteckt. Hersant besaß bis vor kurzem neun Zeitungen, eine Druckerei und betrieb den Neubau einer weiteren Druckerei in Schlesien. Für 100 Millionen Mark übernahm nun die Passauer Gruppe acht der Hersant-Objekte, lediglich die 49 Prozent der Anteile an der ehemaligen Regierungszeitung Rzeczpospolita blieben in französischer Hand – das Blatt darf nur mit Zustimmung der Regierung verkauft werden.

Die Passauer bemühen sich eifrig, die Wogen des Mißtrauens gegen die drohende deutsche Vorherrschaft zu glätten. Ein Verlagssprecher versicherte, größere Veränderungen seien in den Zeitungen nicht geplant, die von Hersant übernommen wurden: „Wir sind an Politik nicht interessiert.“

Nur mag daran niemand so recht glauben. Hartnäckig hält sich in Warschau nämlich das Gerücht, hinter der Transaktion stehe in Wirklichkeit der Bertelsmann- Konzern, der bisher in Polen noch relativ schwach vertreten war.

Für diesen Verdacht spricht, daß eine Schweizer Gesellschaft an den beiden im vergangenen Jahr von der Passauer Verlagsgruppe erworbenen südpolnischen Verlagen Anteile hält. Ihre Eigentümer ziehen es vor, im Dunkel des schweizerischen Aktienrechts zu bleiben, und lassen sich in den Aufsichtsräten von den Passauern vertreten. Beobachter der Szene wundern sich nun kaum noch, daß die Passauer Unterhändler bei ihren Gesprächen mit der Hersant- Gruppe ihrerseits von Vertretern des Bertelsmann-Verlages begleitet wurden. Die Passauer Verlagsgruppe, heißt es in Bertelsmann- Kreisen, sei „ein gut befreundetes Unternehmen“. Klaus Bachmann

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