: UNO plant ihren Abzug aus Bosnien
■ Französische Blauhelme schießen auf Serben / UNO-Generalsekretär übernimmt positive Einschätzung der Beobachtermission an der serbisch-bosnischen Grenze
Sarajevo/Genf (AFP/taz) – Eine französische Einheit der UN- Schutztruppen (Unprofor) in Sarajevo hat vierzig Artilleriegeschosse auf eine serbische Stellung im Stadtteil Ilidza abgefeuert. Wie Unprofor-Sprecher Bernard Labarsouque bekanntgab, hatten die Serben vor dem Vorfall vom Termes-Hotel aus mit einem schweren Geschütz ein UNO-Panzerfahrzeug beschossen. Es sei bereits der zweite Versuch der Blauhelm-Soldaten gewesen, die serbische Kanone zu zerstören.
UNO-Generalsekretär Butros Ghali hat unterdessen das zuständige „Peacekeeping-Department“ in der New Yorker UNO-Zentrale angewiesen, die Planungen für den Abzug der Unprofor-Truppen aus Bosnien im Falle einer Aufhebung des Waffenembargos gegen die Regierung in Sarajevo fertigzustellen. In seiner Anweisung bezeichnete Butros Ghali den Rückzug der Unprofor-Truppen als „äußerst schwierige Operation“. Zumindest zeitweise sei eine Sicherung des Rückzugs durch zusätzlich entsandte Kampftruppen erforderlich. Am Dienstag hatte die Nato entsprechende Planungen abgeschlossen. Bislang haben Großbritannien, Frankreich und Rußland den Rückzug ihrer Unprofor-Soldaten angekündigt, sollte das Waffenembargo gegen die bosnische Regierung aufgehoben werden. US-Präsident Clinton hat einen entsprechenden Antrag im Sicherheitsrat für die zweite Oktoberhälfte angekündigt, sollten die bosnischen Serben bis zum 15. Oktober den Teilungsplan der Bosnien-Kontaktgruppe nicht akzeptiert haben. Scheitert ein US- Antrag im Sicherheitsrat, erwägt der US-Kongreß, die US-Administration nach dem 15. November zur einseitigen Aufhebung des Embargos zu bewegen.
Mit der gestrigen Anweisung Ghalis dürfte der Druck auf Washington wachsen, diese Fristen für eine Aufhebung des Waffenembargos verstreichen zu lassen. Zugleich könnte der UNO-Sicherheitsrat noch in dieser Woche einen Beschluß zur Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Rest-Jugoslawien fassen.
In einem in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten Bericht an den Sicherheitsrat übernahm der UNO-Generalsekretär zugleich die positive Einschätzung der Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Owen und Stoltenberg, über die Blockademaßnahmen Rest-Jugoslawiens an der Grenze zu Bosnien. Noch auf der letzten Sitzung der Bosnien-Kontaktgruppe am 13. September hatten die USA gemeinsam mit Deutschland darauf gedrängt, daß der Leiter der Beobachtermission an der Grenze zwischen Rest-Jugoslawien und Bosnien, Pellnas, der Kontaktgruppe gegenüber und nicht den beiden Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Owen und Stoltenberg, verantwortlich sein sollte. Durch die Weiterleitung des Pellnas-Berichtes, in dem nach nur drei Tagen Beobachtung Belgrads Maßnahmen als umfassend, ernsthaft und effektiv gewertet worden waren, haben Owen und Stoltenberg jetzt selber Fakten geschaffen. Andreas Zumach
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