: Auf Almosen verzichten, um zu gewinnen
■ Der Bundesrat lehnt den Koalitionsbeschluß zum Bafög als ungenügend ab / Die SPD verlangt statt dessen eine Aufstockung um vier Prozent
Bonn (taz) – Studentinnen und Studenten, die nicht aus betuchten Familien kommen, müssen weiterhin auf eine Erhöhung der Bafög- Fördersätze warten. Mit der Mehrheit der SPD-geführten Länder lehnte es der Bundesrat gestern ab, die Förderungsberechtigten mit Almosen abzuspeisen, wie es ein im Juni von Union und FDP gefällter Bundestagsbeschluß vorgesehen hatte. Nach dem Willen des Bundesrates sollen die Fördersätze von Herbst 1994 an rückwirkend um vier Prozent steigen. Anders als die Koalition wollen Bundesrat und SPD-Fraktion auch keinen Leistungsnachweis nach dem zweiten Semester.
Für ihr Votum erhielt die Länderkammer Lob von kompetenter Seite. „Es ist besser, ein halbes Jahr lang zu warten, als eine völlig unzureichende Anpassung der Freibeträge und Bedarfssätze beim Bafög hinzunehmen“, erklärte gestern der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Albert von Mutius. Die von der Regierungsmehrheit im Bundestag verabschiedete 17. Bafög-Novelle, die im Bundesrat gestern scheiterte, hätte den Studenten nur marginale Verbesserung gebracht: eine Anhebung der Freibeträge von zwei Prozent im Herbst 1994 und 1995, eine Aufhebung der Altersgrenze von 30 Jahren für Studierende, die nicht mit allgemeiner Hochschulreife angetreten waren, sowie eine Entlastung Alleinerziehender bei der Rückzahlung von Darlehen.
Staatssekretär Lammert (CDU) vom Bundesbildungsministerium bezeichnete diese Almosen gestern als „beachtliche, substantielle Verbesserungen“. Den SPD-Ländern hielt er vor, sie entschieden mit ihrem Votum gegen die Interessen der Studenten, denn es gebe keinerlei finanzielle Spielräume.
Die schleswig-holsteinsche Bildungsministerin Marianne Tidick (SPD) nannte es in ihrer Entgegnung zynisch, die Bedarfssätze einzufrieren, aber drei Milliarden Mark an Steueraufkommen für die Finanzierung der Transrapid-Trasse auszugeben. „Bafög wird im Moment zur Sanierung des Bundeshaushalts mißbraucht“, sagte die Ministerin. Sie hege den Verdacht, die Regierung wolle die Zahl der Studierenden wieder auf die Prozentsätze von vor der Bildungsreform drücken.
Unlängst hatte der Bafög-Beirat der Bundesregierung festgestellt, daß kein anderes soziales Leistungsgesetz in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder so drastischen Spareingriffen zur Haushaltskonsolidierung ausgesetzt gewesen sei. Mit dem Beschluß des Bundesrates muß sich in der kommenden Legislaturperiode der neugewählte Bundestag befassen. Hans Monath
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