Die Opferung des halben Broilers

■ Schanzenviertelfest: „Nimm 2“ beendet den Leerstand des Laue-Komplexes Von Kai von Appen

Kein Würstchenbuden- und Kirmes-Kommerz, dafür eine Hausbesetzung, Kabarett und Parodien vor der Roten Flora, Small Talks und Infos – so feierten am Wochenende Schanzenviertel-BewohnerInnen auf ihre Art den Herbstanfang. Die Hausbesetzung dauerte am gestrigen Sonntagabend noch an.

Politischer Höhepunkt der Straßenfete war die Besetzung der Häuser Schanzenstraße 56-62. Um kurz nach 16 Uhr machten die AktivistInnen des „Bündnis Nimm 2“ ihre Ankündigung wahr: Sie beendeten den seit vier Jahren andauernden Leerstand der Häuser des Rechtsanwaltes Hans-Erich Dabelstein. Türen wurden aufgebrochen, die Holzplatten von den Fenstern entfernt und Transparente herausgehängt.

Dabelstein hatte die Gebäude sowie den anliegenden Laue-Komplex 1989 für 17 Millionen Mark von der Stadt gekauft, um das Areal zu sanieren. Seither ist nichts passiert, der Komplex gammelt vor sich hin. Eine „Nimm 2“-Sprecherin: „Wir empfinden es als blanken Hohn, daß in Zeiten, in denen wir uns mehr und mehr von steigenden Mieten und Wohnungsnot bedroht sehen, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Häuser leerstehen und verrotten.“

Am frühen Abend wurden die Häuser für die Öffentlichkeit zur Besichtigung freigegeben. Bei vielen BesucherInnen kamen Wut und Empörung über den Leerstand auf. „Der muß enteignet werden“, so eine junge Frau.

Denn die großen Wohnungen sind zwar renovierungsbedürftig, von der Substanz her jedoch noch völlig intakt. Während bis spät in die Nacht im Hof des Laue-Komplexes ein umfangreiches Kinoprogramm flimmerte, richteten sich die BesetzerInnen für einen längeren Verbleib häuslich ein.

Kultureller Höhepunkt des Schanzenviertel-Festes war indes am Abend eine „Broiler-Prozession“. Mit einem halben Hähnchen auf dem Altar zog zunächst der christliche Zug durch das Viertel. An der Altonaer Straße wurde der vom „Satan“ gegrillte Broiler verbrannt, um im Himmel seine Ruhe und Segen zu finden. Tenor des alternativen Absurd-Theaters: „Feuer und Flamme für den Hähnchenstaat.“

Hamburgs Polizei ging bis zum gestrigen Abend nicht gegen die HausbesetzerInnen vor. „Für uns ist das keine Besetzung“, so ein Lagedienst-Sprecher gestern nachmittag zu taz. „Am Samstag hat dort eine Feier stattgefunden, die auch ordnungsgemäß beendet wurde und heute fortgesetzt wird.“

Gegenüber Aktivisten der Roten Flora ließ das Polizeirevier Lerchenstraße allerdings mitteilen, daß der Laue-Verwalter Strafantrag stellen werde, wenn sich die Hausbesetzung „verfestigen“ sollte. Daher ist für den heutigen Tag mit einer polizeilichen Räumung zu rechnen.