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■ Kroatien will das UNO-Mandat nicht mehr verlängernEine offene Rechnung

Kaum signalisiert der UN-Sicherheitsrat Entwarnung an der einen Front, meldet sich eine andere zurück. Dem serbischen Präsidenten Milošević wird wegen Wohlverhaltens eine Lockerung der Sanktionen gegen sein Land in Aussicht gestellt. Man wartet nur noch den offiziellen Bericht der 135 Beobachter ab, die an der über 400 Kilometer langen (zur Hälfte grünen) Grenze feststellen sollen – ohne kontrollieren zu dürfen –, ob denn der Mann aus Belgrad sein Wort hält und die bosnischen Serben wirklich boykottiert. Milošević sieht schon freie Fahrt, da zieht sein Widersacher aus Zagreb die Notbremse: Das von der Partei Präsident Tudjmans dominierte Parlament sprach sich am Samstag gegen eine Verlängerung des UN- Mandats in Kroatien aus.

Man kann es Tudjman, der wegen der Schürung des kroatisch-muslimischen Konflikts zweifellos ein gehöriges Maß Mitschuld am Krieg in Bosnien trägt, schlecht verdenken, daß er nun aufmupft. Am Horizont zeichnet sich so etwas wie ein Separatfrieden ab, der mit Milošević geschlossen wird — in der Hoffnung, dadurch Karadžić, den Führer der bosnischen Serben, um so wirksamer in die Zange nehmen zu können. Just dieser Milošević aber hat vor drei Jahren Kroatien mit Krieg überzogen, und seither halten Serben die Krajina und Ostslawonien, zusammen fast ein Drittel des Staatsgebietes, besetzt. Unter dem Druck der serbischen Waffen stimmte der kroatische Präsident 1991 der Stationierung von Blauhelmen in den serbisch besetzten Gebieten seiner Republik zu. Im Gegenzug versprach die UNO, die serbischen Milizen zu entwaffnen, die kroatischen Flüchtlinge zurückzuführen und das Gebiet der kroatischen Staatshoheit zu unterstellen. Nichts von all dem ist geschehen. Und just davon macht nun Tudjman sein Plazet zur weiteren Stationierung der Blauhelme abhängig.

Immer wieder drohte die kroatische Regierung auf militärischem Weg zurückzuholen, was ihr die UNO auf politischem Weg zu erstatten versprach. Tudjman mag nun mit dem Kalkül liebäugeln, Milošević werde sich aus einem Krieg um die Krajina heraushalten, weil er die völlige Aufhebung der Sanktionen braucht, um die Wirtschaft seines Landes wieder auf die Beine zu bringen. Eine gefährliche Rechnung, denn der serbische Präsident hat in diesen drei Jahren Balkan- Krieg schon einige Pirouetten gedreht, wenn es darum ging, seine Macht zu stabilisieren. So rächt sich nun, daß die UNO eine Lösung des bosnischen Konflikts von jener des Konflikts um die besetzten Gebiete Kroatiens abgetrennt hat. Es hätte Gründe genug gegeben, eine Lockerung der Sanktionen gegen Serbien auch von einem wirksamen Boykott Miloševićs gegenüber der Krajina abhängig zu machen. Immerhin wird ja seit über einer Woche die muslimische Enklave Bihać im Nordwesten Bosniens, die die UNO einmal – schon längst vergessen? – zur Schutzzone erklärt hat, auch von schweren Geschützen aus der benachbarten Krajina beschossen. So stellen die Serben Kroatiens einen Zusammenhang her, den die UNO geflissentlich übersehen will. Thomas Schmid

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