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Ein Maulkorb für die Studentenschaft

An der Universität Münster wird der alte Streit um das „politische Mandat“ wiederbelebt / Das Oberverwaltungsgericht von NRW droht dem Asta Strafgelder bis zu 500.000 Mark an  ■ Von Anita Kugler

Berlin (taz) – An der Universität Münster ist der Allgemeine Studentenausschuß (Asta) in einen Rechtsstreit verwickelt, der an alte Zeiten erinnert. Nach gut 20 Jahren geht es erstenmals wieder um eine gerichtliche Klärung des „Allgemeinpolitischen Mandats“ der Studentenschaften, um den sogenannten Maulkorberlaß. Im Prinzip wurde dieser Streit in den siebziger Jahren mit der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes beendet. Klipp und klar heißt es seither, daß die Studentenschaften als „Zwangsvereinigungen“ kein politisches Mandat besitzen und ihr Engagement auf hochschulbezogene Aufgaben beschränken müssen. Aber was ist „hochschulbezogen“, und was ist „allgemeinpolitisch“?

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts von Nordrhein- Westfalen stiegen noch einmal tief in die Materie ein. Sie lasen alle „Maulkorberlasse“ seit 1969, den Beschluß der ersten verwaltungsgerichtlichen Instanz vom Mai dieses Jahres, die ausführlichen Schriftsätze der Asta-Anwälte und 14 Materialsammlungen, Dokumentationen und Artikelserien, die mit dem Impressum „Asta“ in den vergangenen anderthalb Jahren an der Universität veröffentlicht wurden. Dazu gehörten auch eine Materialzusammenstellung des „Frieden- und Internationalismus-Referats“ über die Rolle der UNO in der Weltpolitik, ein Interwiew mit einem kurdischen Studenten über das PKK-Verbot und, besonders skandalös: eine Satire „Wie ich mal bei der RAF war“, erschienen in der Asta-Zeitung Links vom Schloß. Gesammelt hatte das ganze Material ein Jurastudent, der bei den letzten Wahlen zum Studentenparlament mit seiner stockkonservativen Liste GDS (Gegen das Semesterticket) auf den Bauch gefallen war und der sozialistischen Siegerliste „Uni-Mut“ vorwarf, permanent gegen das Hochschulrahmengesetz zu verstoßen.

Das befanden auch die Experten des Oberwaltungsgerichts. Anfang September bestätigten sie mit einer einstweiligen Anordnung, daß die Studentenschaft kein „allgemeinpolitisches Mandat“ habe und die inkriminierten Artikel auch nicht mit dem liberalen nordrhein-westfälischen Universitätsgesetz zu vereinbaren seien. Eine politische Betätigung des Astas greife „verfassungswidrig in den individuellen Freiheitsbereich der Mitglieder ein“ und sei deshalb zu unterlassen. Und damit der Asta nicht auf die Idee kommt, erneut gegen das Politikverbot zu verstoßen, drohten sie bei Zuwiderhandlung eine Ordnungsstrafe bis zu 500.000 Mark an.

Beim Asta Münster herrscht jetzt helle Aufregung. Die beim Gericht eingereichten Unterlagen seien keine politischen Meinungsäußerungen gewesen, sondern „Arbeitsgrundlagen, auf deren Basis wir allgemeinpolitische Themen mit herausragendem Interesse auch und gerade für Studierende dokumentieren“, sagt Asta- Vorsitzende Heike Menke. Mit dieser Rechtsauffassung werde dem Asta jede Arbeitsgrundlage genommen. Zwar dürfe die Studentenschaft in Zukunft eine Bafög-Erhöhung fordern, „aber erklären, warum sie nicht zustande kommt, dürfen wir nicht“. Und sie kündigte an, alle Mittel in Bewegung zu setzen, um diesen Beschluß aus der Welt zu schaffen.

Dies allerdings könnte schwierig werden. Denn sollte das Verwaltungsgericht Münster im demnächst anstehenden Hauptverfahren die einstweilige Anordnung in eine Verurteilung wenden, drohen dem Asta und allen ehemaligen Mitgliedern seit 1993 obendrein noch satte Geldstrafen. Der Jurastudent hat nämlich seine Klage gegen die politische Betätigung des Astas ergänzt mit Strafanzeigen wegen Veruntreuung studentischer Gelder. Daß solche Anschlußklagen den Studentenschaften das Genick brechen können, ist den Studenten seit den siebziger Jahren bestens in Erinnerung. In Bayern und Baden-Württemberg wurden nach solchen Strafverfahren die Asten abgeschafft. Es gibt sie bis heute nicht mehr.

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