piwik no script img

Deutsche Händler des Todes sind wieder aktiv

■ Laut „Spiegel“ basteln der Iran, der Irak und Libyen mit deutscher Hilfe an Massenvernichtungsmitteln / Die Bundesregierung weiß angeblich von nichts

Bonn (AFP/dpa) – Mit deutschem Know-how ausgestattet, treiben Staaten wie der Irak, Libyen und der Iran neue Rüstungsprojekte voran. Das behauptet der Spiegel unter Berufung auf ein Papier des Bundesnachrichtendienstes (BND). In seiner heutigen Ausgabe heißt es, im libyschen Tarhuna werde eine unterirdische Giftgasfabrik errichtet, der Irak habe mit deutschem Know-how eine Gasultrazentrifuge entwickelt, mit deren Hilfe Uran bis zur Bombentauglichkeit angereichert werden könne. Laut Spiegel werden diese Geschäfte häufig über Auslandsbeteiligungen, Tarnfirmen oder verdeckte Zulieferungen abgewickelt. Die Einkäufer für waffenrelevante Materialien in Deutschland griffen, so der BND- Bericht, „immer wieder zu neuen und filigraneren Methoden, um ihre wahren Absichten zu verschleiern“. So würden etwa bei Tarhuna zwei Fräsen einer deutschen Firma eingesetzt. Die im westfälischen Lünen beheimatete Herstellerfirma habe die Maschinen ohne Kenntnis des eigentlichen Endabnehmers an die thailändische W&M Limited verkauft. Bereits im März 1993 hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, das in Lünen ansässige Unternehmen Westfalia-Becorit Industrietechnik GmbH habe zwei Tunnelfräsen über ein Drittland nach Libyen geliefert, die in Tarhuna eingesetzt würden.

Auch Bauzeichnungen für die Fabrik bei Tarhuna sind nach dem Spiegel-Bericht deutscher Herkunft. Die unterirdische Anlage werde nach Plänen der nach Libyen verkauften Giftgasfabrik Rabta errichtet. Einen „vollständigen Satz“ der Rabta-Pläne hat sich demnach auch die iranische Führung besorgt. Im Januar 1989 war die Beteiligung der deutschen Firma Imhausen Chemie am Bau einer Giftgasfabrik im libyschen Rabta bekanntgeworden.

Regierungssprecher Dieter Vogel wies den in Teilen vorab veröffentlichten Spiegel-Bericht zurück. Am Samstag erklärte er, deutschen Behörden seien keine neuen Projekte zur Herstellung von Massenvernichtungsmitteln bekannt, zu denen deutsche Firmen Technologie lieferten. Bei Tarhuna handle es sich um einen von mehreren „älteren Vorgängen“, bei denen die Bundesregierung entsprechende Exporte verhindert oder zusammen mit den Regierungen anderer Länder die Vollendung der Projekte vereitelt habe. Den deutschen Firmen sei nicht bekannt gewesen, wozu die Gerätschaften verwendet würden. Auch der für Geheimdienste zuständige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, erklärte, von einer deutschen Verwicklung sei ihm nichts bekannt. Im März hatte die Bundesregierung bestätigt, daß Waren deutscher Hersteller bei der Errichtung der Chemiewaffenanlage in Tarhuna verwendet worden seien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen