: Ein Viertel Gramm kuriert den Kopf
■ Erste Hamburger Hanftage: Experten über die Pflanze der Zukunft Von Katrin Wienefeld
Erinnern Sie sich noch an ufer- und fruchtlose Diskussionen mit uneinsichtigen Eltern über den Hasch-Konsum? Oder reden dich stockkonservative Lehrer mit ihren widersinnigen Argumenten für die derzeitige Drogenpolitik noch schachmatt? In beiden Fällen sollte das kommende Wochenende vorgemerkt werden, um entweder mit Schreibblock bewaffnet oder zur Genugtuung mit Mutter und Vater im Schlepptau ins Congreß Centrum zu gehen: Dort finden am 1. und 2. Oktober die ersten Hamburger Hanf-Tage statt.
Keine Pro-, aber auch keine Contra-Hanf-Veranstaltung soll es werden, so die Organisatoren Roberto Wenzel und Ralph Cosack vom „Wendepunkt-Symposium“: „Wir wollen zu einem Konsens über Cannabis finden“. Zur Einstimmung für die Skeptischen wird gleich ein Behördenvertreter das Wort ergreifen: Der Hamburger Drogenbeauftrage Horst Bossong referiert über die „Erfindung des Drogenproblems am Beispiel Hasch“. Auf die Cannabis-Phobie in Deutschland will er eingehen und auf die Unsinnigkeit der strafrechtlichen Verfolgung: „Das Drogenproblem hat man sich künstlich durch die Verbote geschaffen“ – nach dem Vorbild der USA, die „nach Aufhebung der Prohibition ihren gewaltigen, aber nutzlosen Überwachungs- und Verwaltungsapparat beschäftigen mußten“.
Christian Rätsch, Ethnologe, Mediziner und Lebenszufriedener, erläutert die gesundheitlichen Vorzüge der Heilpflanze Hanf: „Daß zahllose Krankheiten mit Hanf therapiert werden können, ist mittlerweile bekannt. Auch in Deutschland werden Patienten wegen Augenleiden oder bei Migräne erfolgreich und ohne Nebenwirkungen damit behandelt“. Der 37jährige Hamburger greift selbst bei Migräneanfällen und Unwohlsein zum Joint: „So ein Viertel Gramm bei gutem Stoff ist eine empfehlenswerte Dosis“, verrät Rätsch.
Auch die übrigen Referenten gehören zur Prominenz in der bundesdeutschen Drogendiskussion: Wolfgang Neskovic, Lübecker Richter und Wegbereiter des Bundesverfassungsgerichts-Beschluß vom April '94 referiert zum „Recht auf Rausch“; Werner Pieper, Ex-Haschisch-Dealer und Herausgeber diverser Hanf-Bücher, und Mathias Bröckers, Gründer des Berliner „HanfHauses“ und Herausgeber des Buches „Nutzpflanze Hanf“, beleuchten die Möglichkeiten einer Hanfindustrie in Deutschland; Uni-Dozent und Psychotherapeut Horst Flachsmeier nimmt Stellung zum Thema Bewußtseinsveränderungen.
Einzig ein Vertreter der Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk sagte kurzfristig ab. Er habe wohl befürchtet, „zum Watschenmann der Veranstaltung zu werden“, bedauert Cosack. Horst Bossong dagegen sieht den Hanf-Tagen mit Vergnügen entgegen: „Die werden vielleicht alle vollgekifft sein. Drogenbeauftragte halten sich normalerweise von solchen Veranstaltungen fern, da hab' ich mir gedacht, will ich erst recht hingehen.“
Hamburger Hanftage im CCH, Sonnabend 14-22 Uhr (20 Mark), Sonntag 12-23 Uhr (25 Mark).
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