: Flüchtlinge bauen ihr Haus
■ Kurdisch-deutsches Wohnprojekt in Walle vollendet / Noch ein Haus in der Neustadt geplant
Äußerlich ist dem Gebäude nicht anzusehen, daß hier eine ungewöhnliche Idee umgesetzt wurde: Drei Stockwerke hoch paßt sich der Neubau Nummer 38 ganz unauffällig in die Reihenhauszeile der Helgolander Straße in Walle. Ein wenig sieht er nach dem aus, was er ist: sozialer Wohnungsbau. Im übrigen ist dieser Bau eine ungewöhnliche Angelegenheit. Unter der offiziellen Trägerschaft des Bremer Vereins „Klick“ (für medienpädagogische und soziale Arbeit), der rund 1,1 Millionen Mark investierte, wurde er nach einer Idee des kurdischen Vereins „Komkar“ in Angriff genommen. 18 Monate lang, seit Februar 1992, bauten sieben kurdische Asylbewerber am Haus, die Lohnkosten für deren BSHG-Stellen trug die Werkstatt Bremen. Seit Herbst dieses Jahres sind die elf Wohnungen in der Helgolander Straße vermietet, der Neubau und das dazugehörige Nachbarhaus werden von kurdischen und deutschen Familien bewohnt. „Diese Mischung war von Anfang an so geplant“, sagte Erwin Bienewald von „Klick“.
Nicht alles in diesem Bau-Projekt gelang jedoch, wie anfangs geplant. „Für manche Arbeiter sind wir bis zu sechsmal zur Ausländerbehörde gelaufen“, berichtet Mehmet Bezat Oglu vom Kulturzentrum Lagerhaus in der Schildstraße. „Diese Bürokratie kostet Nerven.“ Die Änderung des Asylrechtes und die zeitweilige Aufhebung der Duldung für kurdische Flüchtlinge in Deutschland bescherten weitere Schwierigkeiten, die der Crew nahegingen. „Manche, die hier arbeiteten, wußten nicht, ob sie am nächsten Tag vielleicht abgeschoben würden“. Daß die Motivation der Männer trotzdem nicht nachließ, lag an der „tollen Truppe“, so sieht es Erwin Bienewald von „Klick“. Denn die Männer, deren Asylanträge noch nicht alle endgültig entschieden sind, wollten ein Zeichen gegen die unterstellte Nähe zwischen Kurden und Drogenhandel setzen und beweisen, daß Flüchtlinge keine „Sozialschmarotzer“ sind. Zu Baubeginn 1992, vor der Änderung des Asylgesetzes, ging das noch, damals gab es für sie noch eine Arbeitserlaubnis. „Aber den Leuten hier ging es immer um mehr als um Arbeit oder eine gute Wohnung für die eigene Familie.“
Um eine bessere Wohnung ging es aber auch – fast wäre aus dieser Hoffnung der engagierten Bauarbeiter nichts geworden. In der Helgolander Straße jedenfalls durften sie nicht einziehen, mangels B-Schein-Berechtigung. Wenn nicht der „Klick“-Verein ein Haus extra für ihre Unterbringung gekauft hätte, würden sie heute noch in Gemeinschaftsunterkünften wohnen.
Eine weitere wichtige Hoffnung auf langfristige Arbeitsplätze allerdings, die „Klick“ und „Komkar“ mit der Unternehmung verbunden hatten, starb mit dem neuen Asylrecht unwiderruflich: Ohne endgültigen Asyl-Bescheid gibt es keine Arbeitserlaubnis. „Dabei hätten wir einige Männer übernommen“, sagt Henner Frevel. Der Geschäftsführer der Holzbau Handwerk GmbH aus Worpswede findet nämlich, „wir müssen praktischere Ideen haben als mit der Kerze an der Weser zu stehen“. Deshalb akzeptierte seine Firma die ungewöhnlichen Projektbedingungen und half, die ungelernten Hausbauer anzulernen.
Schon lange witzelt niemand mehr über das „Hoch- und Schiefbau-Unternehmen Helgolander Straße“, im Gegenteil: „Klick“ hat bereits ein weiteres Anwesen in der Neustädter Großen Annenstraße gekauft. Auch dort soll die Idee einer Baumaßnahme unter der Regie von „Klick“ mit der Arbeitskraft von Flüchtlingen umgesetzt werden. Dafür gibt es diesmal 300.000 Mark Europamittel – für die bessere „Wohnversorgung von Zuwanderern“. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen