■ Standbild: Nix verraten und verkauft
„Das Phantom. Die Jagd nach Dagobert“, So., 20.15 Uhr, Sat.1
Als ich neulich einmal ganz privat durch die Programme flippte, brach gerade auf einem der vielen Kanäle mit viel Getöse eine Autobahnbrücke zusammen. Für kurze Zeit war ich zugegebenermaßen irritiert: Zu deutlich erinnerte das Szenario an die Bilder des San Franciscoer Erdbebens vor ein paar Jahren. Aber schon nach dem Vorspann drückte ich dann doch wieder auf den Programmknopf – schließlich kannte ich den relativ glücklichen Ausgang dieser „wahren Begebenheit“ schon.
Bei der Verfilmung realer Katastrophen steht die Dramaturgie immer vor dem Problem, daß sich die Filmspannung allein durch die Präsentation einer neuen, bisher unbeleuchteten Perspektive aufbauen kann. Auch die am Montag ausgestrahlte Sat.1-Super-Schnellproduktion „Das Phantom. Die Jagd nach Dagobert“ mußte an diesem Dilemma scheitern. Hatten die fleißigen Privat-Mainzelmännchen doch im letzten Moment die Rechte am Leben des echten Kaufhauserpressers nicht erstehen können. So mußte das bereits in der Drehphase befindliche Projekt in aller Eile umgeschrieben werden. Mit keinem Bild, keinem Ton durfte „Dagobert“ Funke Eingang in den Plot finden. Gerade die interessanten Fragen „Was trieb den Mann an?“, „Wie kam er auf seine Ideen“ kurz: „Wer ist Dagobert?“ blieben so unbeantwortet. Übrig blieb eine zweistündige Hatz, erzählt aus der Perspektive des Chefermittlers. Dessen Rechte konnte man sich offenbar noch zu angemessenem Preis sichern.
Aber was den hartnäckigen Hauptkommissar in den zwei Jahren seiner Ermittlungen umtrieb, wußte die Nation auch schon zu Zeiten, da Dagobert noch in Aktion war. Warum also sollte man sich das jetzt, wo alle auf Funkes Memoiren warten, noch einmal auf dem Bildschirm anschauen? Etwa wegen der zum Scheitern verurteilten Liebesromanze zwischen Kommissar Pietsch und der lesbischen Justitiarin von „Kaufstadt“? Oder gar wegen der Konkurrenz zwischen ihm und seinem Kollegen Kaiser? Ganz offensichtlich hat Drehbuchautor Nicholas Niciphor in seiner Verzweiflung auf den human touch der verstümmelten Story gesetzt, auf jenen Faktor Mensch, der doch schon in jedem besseren „Tatort“ die Hauptrolle spielt. Die ganze Jagd nach Dagobert: ein Phantom. Aber das hatte uns Sat.1 ja schon im Titel versprochen. klab
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