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■ Die Grünen und ihr Umgang mit der PDSKeine Steigbügelhalter

1.

Wir dürfen die PDS weder ausgrenzen oder dämonisieren noch freundlich umarmen. Sie ist unser politischer Gegner. Dabei dürfen wir allerdings nicht den Fehler der CDU/CSU machen, die PDS ständig in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen und damit in das Zentrum des politischen Geschehens zu rücken, wo sie sich weder befindet noch hingehört. Genau das werfe ich den drei Berlinern (siehe taz vom 24.9. auf Seite 10) vor, die offenbar kein wichtigeres Thema kennen, als Koalitionen mit der PDS zu propagieren: Sie verhelfen ihr zu einer Normalität, die diese sich nach der Mühsal konsequenter Arbeit an der eigenen Glaubwürdigkeit irgendwann einmal verdienen kann – im Jahr 5 nach der Wende aber noch lange nicht verdient hat!

Die PDS kann für Bündnis 90/ Die Grünen keine Bündnispartnerin bei der Gestaltung des ökologischen und sozialen Umbaus sein. Sie ist keine demokratisch gewachsene Partei und nach wie vor anfällig für autoritäre Verfahren. Heute will sie Opposition sein – obwohl sie noch zu Wendezeiten eindeutig auf der anderen Seite stand und für das System, das die Wende notwendig machte, mitverantwortlich ist. Wir Grünen dürfen denen, die sich übergangslos von der Partei der Stasi zur originären Hüterin von Freiheitsrechten gemausert haben wollen, nicht wieder in den Sattel der Verantwortung verhelfen.

2.

Die PDS ist zwei Parteien: eine Milieupartei im Osten, die ein relativ breites Spektrum von – keineswegs nur linken – Unzufriedenen, Opfern der von Helmut Kohl wider besseres Wissen versprochenen „blühenden Landschaften“, anspricht. Und sie ist eine Splitterpartei im Westen, in der sich – neben manchen jungen Leuten – ein Teil der letzten DKPisten, Autonome, versprengte Reste von K-Gruppen und auch Weltverbesserer jeder Couleur wiederfinden. Beide Parteien passen eigentlich nicht zusammen – ihre Sprache, ihre Inhalte, ihre Ziele, ihre Lebenswirklichkeiten.

Auch die Grundstrategien beider Parteien sind unvereinbar: Wer wirklich Ostinteressen vertreten will, kann sich nicht in die Pose purer Radikalopposition begeben – und in der Tat hat die PDS ihre bequeme Oppositionsrolle in den neuen Ländern an vielen Stellen bereits aufgeben müssen. Auf der einen Seite schreibt sie linke, marxistische Systemkritik auf ihre Fahnen, auf der anderen Seite appelliert sie an dumpfe Nostalgie-Seligkeit und macht Ost-Wir-Gefühle zum Leitfaden ihrer Politik. Wer den „real existierenden Sozialismus“ über Jahrzehnte aktiv mitgetragen hat und davon heute weiterträumt, vertritt damit keine linke sondern eine antiökologische, militaristische, auf Spitzeltum fußende, kurz: eine inhumane Politik.

Im Westen konnte die PDS sich vor allem in JungwählerInnen- Kreisen ein Alternativ-Image mit dem prickelnden Hauch des Verbotenen und Antiautoritären zulegen, das sie attraktiver erscheinen läßt, als sie in Wirklichkeit ist. Das hat mit ihren Wahlerfolgen im Osten zu tun, vor allem aber mit der Person Gregor Gysi, der nicht das Miefige der ehemaligen DDR verkörpert, sondern den selbstbewußten Gegen-den-Strom- Schwimmer, der es allein gegen alle aufnimmt. Die radikale Pose kommt gut bei Jugendlichen. Unsere Aufgabe ist es darum, die Illusionen über die Rolle der PDS abzubauen und gleichzeitig deutlich zu machen, was der rot-grüne Wechsel in Bonn gerade jungen Leuten konkret bringen würde.

3.

Das Programm der PDS ist alles andere als links(-radikal). In weiten Bereichen ist es bieder und für Linke erstaunlich staatsfixiert. Es liest sich wie ein Wunschzettel der Benachteiligten – ein Spiegelstrichprogramm, in dem die PDS allen alles verspricht, im Finanzierungsteil aber ernsthafte Antworten schuldig bleibt. Das Programm atmet die Sehnsucht nach einer Rückkehr des Fürsorgestaates. Die PDS delegiert die Frage nach der Verantwortung für die heruntergewirtschaftete DDR-Ökonomie einfach an „den“ Westen weg. Daß Veränderung sich nicht nur auf den Staat stützen kann, sondern alle Bereiche der Gesellschaft erfassen muß, hat sich der PDS noch nicht erschlossen. Die eigentliche Gefahr des Programms steckt in einem linken, ungebremsten Populismus, der die Probleme dieser Gesellschaft und ihre möglichen Lösungen simplifiziert. Es enthält keine einzige innovative politische Idee.

4.

Ökologie Fehlanzeige. Sowohl im Programm als auch im Wahlprogramm überspringen die Ökologie-Teile schon quantitativ nicht die Fünfprozenthürde. Ökologie ist für die Partei, deren Vorgängerin für den gigantischen Raubbau an Natur und Gesundheit in der ehemaligen DDR verantwortlich war, stets nur eine abgeleitete Frage, ein „Nebenwiderspruch“. Im Programm findet sich nicht ein einziger Satz zur Sanierung der hochverseuchten ehemaligen Industriegebiete in Bitterfeld und anderswo. Kein Wort zur Gentechnologie, zur Chemieindustrie, zur Braunkohle. Die PDS ist eine Wachstumspartei, wenn auch in bescheidenem Rahmen: Sie will 1,5 bis 2 Prozent Wachstum erzielen, um so ihre sozialen Wohltaten zu finanzieren. Daß jedes Prozent Wachstum die Gesellschaft ein Mehrfaches dieses Betrages kostet, hat die PDS noch nicht begriffen.

5.

Die PDS ist keine glaubwürdige Partei, sie betreibt an vielen Stellen eine Politik mit doppeltem Boden. Vor allem aber löst sie ihren eigenen Anspruch nicht ein, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und die politische Erneuerung zu fördern. Es ist schon grotesk, wenn mit André Brie ein ehemaliger Stasi-Zuträger den Wahlkampf einer Partei leitet, die gegen den „Überwachungsstaat“ zu Felde zieht! Auf der Bühne sehen wir „Gysis bunte Truppe“; dahinter stehen die alten Generäle, die alten SED-Funktionäre, die in der Partei nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.

Die Menschenrechte sind kein Thema im Wahlprogramm der PDS. Stolz verkündet sie aber, daß auch VertreterInnen der KP Chinas offiziell als Ehrengäste am Parteitag teilnahmen – jener Partei also, die für das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens, für den Ethnozid in Tibet, für Folter an Andersdenkenden verantwortlich ist. Doppelstrategie made by PDS. Weitere Beispiele ließen sich anführen – etwa die Freundschaft zu Kuba, das Aidskranke in Internierungslager sperrt.

Jede Stimme für die PDS schwächt die Chance für den dringend nötigen Reformwechsel und stärkt die Chance für Helmut Kohl, auch der nächste Bundeskanzler zu sein. Wer die PDS stark macht, votiert faktisch für den politischen Stillstand. Michael Vesper

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