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Wegen Behinderung entlassen

■ Arbeiter-Samariter-Bund feuert eine erfahrene Altenpflegerin / Gutachten: „Arbeitseinsatz ist ohne Bedenken möglich“

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), einer der größten Träger im Bereich der Freien Wohlfahrtspflege, unterhält in Bremen zwei Alten- und Pflegeheime. Pflegepersonal ist schwer zu kriegen, daher wirbt der ASB in der Zeitung mit Sätzen wie: „Wir bieten Ganzheitlichkeit auch für die Mitarbeiter.“ Das Gegenteil aber hat Irene Geese-Bögershausen erfahren. Nach einem Jahr Arbeit erhielt die examinierte Altenpflegerin vom ASB die Kündigung. Grund: Irene Geese-Bögershausen ist schwerbehindert.

Mit sechs Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung, die sich auf das rechte Bein konzentrierte. Die Folgen sind kaum zu spüren, Irene Geese-Bögershausen absolvierte eine Ausbildung zur Arzthelferin und vor sieben Jahren eine Umschulung zur Altenpflegerin. Die halbjährlichen Gesundheitsüberprüfungen werteten die „Post-Polisymptome“ nicht als Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Sieben Jahre arbeitete Irene Geese-Bögershausen als Altenpflegerin, schob Nachtwachendienst, erteilte gar Gymnastikkurse für SeniorInnen, bis die Krankheit der Mutter einen vorübergehenden Ausstieg aus dem Erwerbsleben erforderte.

Am 22.6.93 erhielt die Arbeitsuchende einen Einjahresvertrag beim ASB. Als die Mutter von drei Kindern einen Wohnungskauf plante, mußte sie sich längerfristig absichern. Sie bat den ASB um Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, andernfalls werde sie sich woanders bewerben. Am 18.1.94 teilte der Heimleiter seiner Mitarbeiterin schriftlich mit, daß der Übernahme nichts im Wege stehe.

Ende Februar stellte Irene Geese-Bögershausen beim Versorgungsamt den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte. „Ich hab doch im Traum nicht daran gedacht, daß der ASB mir kündigt.“ Sie habe eher geglaubt, der ASB freue sich über die Einsparung jener 200 Mark, mit der sich Betriebe aus der gesetzlichen Pflicht, Behinderte einzustellen, freikaufen können. Doch am 4.7.94, zwei Wochen, nachdem Irene Geese-Bögershausen dem ASB den Ausweis vorgelegt hatte, der ihr eine 70%ige Schwerbehinderung bestätigt, erhielt sie die Kündigung zum 30.6.94: Die Voraussetzungen für die Weiterbeschäftigung hätten sich geändert.

Nur auf Nachfrage muß der Schwerbehindertenausweis bei der Einstellung vorgelegt werden. Im Juni 93 aber hatte die Altenpflegerin keinen Ausweis und konnte auch später nicht ahnen, ob das Versorgungsamt ihrem Antrag stattgeben würde. Der Schwerbehindertenausweis stellt außerdem nicht die Arbeitsfähigkeit in Frage. Irene Geese-Bögershausen kennt einen Bremer Richter, „der ist blind und 100% schwerbehindert, der kann auch sein Amt ausüben.“

Vergeblich verwies die Altenpflegerin, die während ihrer ASB-Tätigkeit nur einen Tag, und das grippebedingt, krank war, auf die Gutachten, die ihre Arbeitsfähigkeit bescheinigen. Irene Geese-Bögershausen zog vors Arbeitsgericht. So unter Druck gesetzt, ordnete der ASB eine arbeitsmedizinische Begutachtung an. Ergebnis: „Nach dem Befund ist ein Arbeitseinsatz von Frau Geese-Bögershausen im alten Arbeitsbereich als examinierte Krankenpflegerin im Nachtdienst im Wohn- und Pflegeheim ohne wesentliche gesundheitliche Bedenken möglich.“

In der folgenden Güteverhandlung empfahl der Richter eine Abfindung von 10.000 Mark. Die Arbeitnehmerin lehnte ab, „ich wollte doch meine Stelle behalten.“ Der ASB aber verweigert ihre Weiterbeschäftigung und erwidert die Klage. Im Schriftsatz bezweifelt der ASB das eigens in Auftrag gegebene Gutachten und bestreitet, daß die Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung dem Anforderungsprofil entspreche. Eine Altenpflegerin, die ihre Arbeitskraft nur durch tägliche therapeutische Übungen erhalten könne, sei nicht tragbar. Schließlich trage der ASB nicht nur seinen Mitarbeitern gegenüber eine soziale Verpflichtung, sondern auch gegenüber den Bewohnern des Alten- und Pflegeheimes, die Anspruch auf ein „ein qualifiziertes Pflegepersonal“ hätten.

„Das heißt doch, daß ich mit 70% Schwerbehinderung nicht qualifiziert bin“, schließt Irene Geese-Bögershausen. „Die entwerten mich doch total. Der menschliche Schaden, den die angerichtet haben, der ist gar nicht mehr gut zu machen.“ Zu einer Stellungnahme gegenüber der Presse ist der ASB nicht bereit: „In einem schwebenden Verfahren geben wir keine Erklärungen ab“, so Holger Kup aus der Geschäftsleitung. Das abschließende Gerichtsverfahren findet am 16.1.95 statt. dah

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