piwik no script img

Skandalclub Hertha BSC will seriös werden

■ Neuer Vereinspräsident Manfred Zemaitat setzt sich gegen alte Garde durch

Die Mitglieder von Hertha BSC wollen ihren Club von seinem skandalträchtigen Image befreien. Das ergab die Wahl des neuen Vereinspräsidenten am Montag abend im überheizten und völlig überfüllten Logenhaus in Wilmersdorf. Unterschiedlicher hätten die beiden Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, nicht sein können: Zum einen Manfred Zemaitat, 44jähriger Rechtsanwalt und bisheriger Vizepräsident als Repräsentant einer neuen, pragmatischen Generation, die den Verein professionalisieren will; auf der anderen Seite Ex-Präsident Wolfgang Holst (71), maßgeblicher Protagonist der skandalträchtigen Vergangenheit. „Neuanfang“, „Stunde Null“, der Wille zur Läuterung geisterte durch den Saal. Zuvor zeigte sich Hertha noch einmal in wohlbekannter Weise.

Ein letztes Mal nuschelte der älteste Bundesligavereinsvorsitzende Roloff in unnachahmlicher Weise eine weinerliche Abschiedsrede vor sich hin: „Ich bin ständig übergangen worden. Verleumderische Behauptungen wurden über mich verbreitet.“ Im pflichtgemäßen Beifall der Anwesenden schwang denn auch große Erleichterung mit, den starrsinnigen alten Mann loszusein.

Ohne Umschweife ging es anschließend ans Eingemachte. Ein Antrag, die Redezeit der Kandidaten zu begrenzen, sollte dem ob seiner Redegewandtheit gefürchteten Wolfgang Holst den Wind aus den Segeln nehmen. Kaum setzte der dazu an, diesem Ansinnen eine vehemente Absage zu erteilen, setzte ein gellendes Pfeifkonzert ein. Was folgte, war die gründliche Demontage all dessen, wofür Hertha seit Jahrzehnten steht. Roloff hatte sich längst an die Bar im Foyer zurückgezogen, als Hertha-Denkmal Holst völlig ungewohnt durch eine langatmige Ansprache stolperte. „Schluß mit dem Gequatsche“, das Volk wurde ungeduldig und hätte sich beinahe um den Höhepunkt des Abends gebracht. Dieser trat in Gestalt des Ex-Managers Jürgen Sundermann ans Rednerpult. Sundermann, der von Zemaitat wegen Erfolglosigkeit entlassen worden war, riß das Mikrophon aus der Halterung und schrie dem Publikum entgegen: „Ich werde Ihnen jetzt die ganze Wahrheit sagen.“ Mit hochrotem Kopf bezeichnete er Zemaitat und sein Team als Lügner und Feiglinge, warnte vor dem drohenden Untergang, „wenn diese völlig ungeeigneten Personen gewählt würden“. Die anfänglich noch aufgebrachten Herthaner quittierten seine Rede mit peinlich berührtem Schweigen. Manfred Zemaitat präsentierte sich den Mitgliedern als seriöser Macher ohne Allüren und erntete viel Beifall für seine Wahlrede. Als er aber in der ihm verbleibenden Redezeit eine letzte Warnung vor seinem Kontrahenten Holst aussprechen wollte, tobte der Saal. „Über den muß doch kein Wort mehr verschwendet werden!“ Das Ergebnis nach über dreistündigem Wahlgeplänkel war eindeutig: 112 Stimmen entfielen auf Holst, Zemaitat erhielt 309. Während die abgehalfterten Holst und Sundermann Roloff an der Bar Gesellschaft leisteten, diktierte ein strahlender Wahlsieger der Pressemeute beschwörend einen Wunsch in die Mikrophone: Ruhe möge nun einkehren bei der Hertha, mit den negativen Schlagzeilen solle Schluß sein. Andreas Pfahlsberger

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen