: Der Himmel über Asien - unter Kontrolle
■ Opium fürs Volk: Satellitenfernsehen in der Volksrepublik China. Bangkoks neue Unternehmerelite drängt gegen die chinesischen Autoritäten vor, die versuchen, die Satellitenrevolution mit kleinen ...
Ende 1993 konnten sich 30 bis 70 Millionen Chinesen an „Tom and Jerry“ auf chinesisch sowie amerikanischen Soaps und britischem BBC World Service TV per Satellit delektieren. Der plötzliche Zugang einer solch großen Zahl ihrer Untertanen zu solch heftigem ausländischem Einfluß alarmierte die Regierung in Peking dann aber doch, und schnell verbot sie den Privatbesitz an Parabolantennen.
Das Potential der neuesten Informationstechnologie, diktatorische Regime zu verunsichern und gar zu ihren Zusammenbrüchen beizutragen, ist wohlbekannt. Die Demokratiebewegung vom Tiananmen benutzte zur Überwindung offizieller Zensur eifrig Faxgeräte.
Dramatischer noch zeigte sich die Macht der neuen Medien im Mai 1992 in Bangkok, als Pro-Demokratie-Demonstranten, die General Sutschinda Kraprajun stürzen wollten, vom Militär zusammengeschossen wurden.
Das Militärregime hatte alle Fernsehkanäle zu strikter Zensur, das heißt zur Verheimlichung des Blutbads verdonnert. Bangkoks neue Unternehmerelite, ausgestattet mit Motorolas und Parabolantennen, konnte dank BBC TV, CNN und dem japanischen NHK dennoch sehen, was wirklich passiert war.
Alte Kontrolltechniken sind machtlos
Und innerhalb von 24 Stunden wurden die Videos, die sie von den Satellitennachrichten gezogen hatten, bereits auf den noch blutverschmierten Bürgersteigen Bangkoks als heißeste Ware gehandelt. Die alten Techniken von Kontrolle und Zensur waren gegen die neuen technologischen Möglichkeiten mobiler Telefone, Faxgeräte und Videos machtlos. Man nutzte sie umstandslos zur Verbreitung unerwünschter Informationen, zur Aufdeckung der Lügen der Regierung, zur Verständigung über Truppenbewegungen und zur Organisation weiterer Proteste und Demonstrationen.
Sutschindas Regierung trat zurück, und innerhalb weniger Monate fanden demokratische Wahlen statt.
Bevor die Satellitenrevolution ganz Asien ergreifen kann, sind die Regierungen angetreten, das subversive Potential in Schach zu halten. Seit die Demokratisierung Asiens begann, die mit Marcos' Sturz auf den Philippinen anfing und zu Liberalisierungen in Südkorea und Taiwan geführt hat, haben die überlebenden Einparteiensysteme sich nervös gezeigt angesichts der Wirkungen, die die Ausstrahlungen ausländischer Satellitenprogramme auf ihre Bevölkerung haben können.
Bisher haben jedoch nur China und Malaysia Gesetze erlassen, die den privaten Besitz von Satellitenantennen verbieten – und beiden Regierungen ist klar, wie nahezu unmöglich die Durchsetzung dieses Gesetzes ist.
In China ist der unlizensierte Besitz seit April 1994 strafbar, wobei die Geldstrafen von umgerechnet 900 US-Dollar für private und 9.000 US-Dollar für geschäftlich genutzte Schüsseln reicht – und natürlich wird die Antenne selbst konfisziert.
Die Zeitschrift World Satellite Almanac schätzt die Zahl der Antennen für Malaysia auf 26.000 Stück, in China seien es zwischen 600.000 und einer Million. Das Verbot ist eindeutig zu spät gekommen, um die gewünschte Wirkung noch haben zu können.
Da man sich darüber auch in Peking im klaren ist, greift man zu einer zweiten Kontrollmöglichkeit. Schon jetzt wird die Programmpolitik der Sender mit zusätzlichen Deals beeinflußt; das gilt auch für die über Hongkong positionierten Satelliten wie Star-TV, denn man will sich auch ab 1997, wenn die Stadt an die Volksrepublik fällt, das Geschäft nicht versauen lassen. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts wird der Himmel über Asien vor Satelliten nur so brummen. Asia Sat 1 (HKK Star-TV) konkurriert zur Zeit mit Indonesiens Palapa B2R und B2P, Thailands kürzlich installiertem Thaicom und dem amerikanisch-malaysischen Rimsat. In den nächsten zwei Jahren wird ein chinesisches Konsortium zwei Apstars hochschießen, zu deren Anteilseignern auch das chinesische Ministerium für Telekommunikation gehören wird – das natürlich chinesische Zensurregulierungen auf alle Apstar-Kunden auszuweiten versuchen wird, wogegen amerikanische Sendermanager bisher noch opponieren.
Obwohl Rupert Murdoch das BBC World Service TV aus dem von ihm dominierten Star-TV, das seit April dieses Jahres über China sendet, rausgeworfen hat, ist der chinesische Markt weiterhin mit BBC-Sportsendungen und ungefährlichen Auslandsprogrammen gut versorgt. Das schnell expandierende Kabelnetz für Fernsehen in China wird vor allem von Hongkongs TVB versorgt, das im Besitz der weltweit größten Videothek in chinesischer Sprache ist. TVB-Direktor Fung Shung gibt zu, „daß wir keinerlei Nachrichten senden, und alles andere geht auch vor der Übertragung durch die chinesische Zensur“. TVBs anscheinend unerschöpflicher Vorrat zweitklassiger Kung-Fu- und chinesischer Gangsterfilme muß deshalb erst einmal reichen, um den großen Fernsehhunger der Bevölkerung Südchinas zu stillen. Solcherart „Opium für das Volk“ dient Pekings Interesse an einer schönen neuen Informationswelt. Auch die Fernsehanstalten der Volksrepublik selbst reißen sich neuerdings am Riemen und versuchen, unterhaltsamere Sendungen zu bringen, zum Beispiel solche, die mehr „traditionelle und chinesische Werte“ spiegeln.
Private Schüsseln sind verboten
Obwohl Rupert Murdoch 63,6 Prozent von Star-TV besitzt, das der Milliardär Li Ka-ching gegründet hat, sind doch nur 48 Prozent der Star-TV-Sendelizenz in seiner Hand; Li hat sich das Bestimmungsrecht über Signalempfang und Programm vorbehalten. Die Regierung Hongkongs hat sich Pekings Kontrolle der Rundfunklizenzen bereits unterwofen und die Zukunft der in Hongkong ansässigen Satellitengesellschaften nach 1997 ist unsicher.
Von der Nervosität der Investoren hofft vor allem Singapur profitieren zu können. Sowohl Asian Business TV als auch TVN Zealand haben sich bereits für Singapur als Basis für ihre Satelliten entschieden. Ebenso wie China zensiert auch Singapur die heimische Presse aufs schärste, läßt nur wenige ausländische Presseprodukte rein und verbietet sie nicht selten ganz und gar. Trotz dieser Haltung will Singapur die Technologie der Satellitenrevolution haben und ist deshalb auch bereit, die „Asian Business News“ bei sich zu dulden (Dow Jones Group, das Asian Wall Street Journal des Fernsehens). Nur die eigenen Bürger hält Singapur da lieber raus und hat deshalb auch den privaten Besitz von Satellitenantennen verboten.
Es ist also Business as usual in Singapur: Man lockt die internationalen Medienunternehmen des von 1997 bedrohten Hongkong zu sich, macht jedoch keinerlei Konzessionen in bezug auf die Öffnung der eigenen Gesellschaft. Singapurs Informationsminister George Yeo gibt zu, daß „die Tatsache, daß wir das, was wir hier nicht haben wollen, nicht effektiv zensieren können, kein Grund ist, es plötzlich doch zu rechtfertigen. Zwar haben wir vielleicht keine Möglichkeit, die Satellitenprogramme zu verhindern. Aber wir können den Fernsehleuten, wenn's drauf ankommt, das Leben ganz schön schwer machen.“ Tom Fawthrop
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