piwik no script img

Selbstmord oder Mord?

■ Rätselhafter Tod eines Reporters nach Bedrohungen durch Skinheads

Dresden (taz) – Die Ermittlungen um den mysteriösen Tod des 31jährigen Journalisten Falko Ballon sind abgeschlossen. Der Reporter war am Sonntag abend von der Polizei in seiner Garage stranguliert vorgefunden worden. Staatsanwalt Peter-Jürgen Anders schließt „Fremdbeteiligung hundertprozentig aus“. In einem handschriftlichen Abschiedsbrief habe der Journalist sich an nahe Angehörige gewandt und um Verzeihung gebeten. Über den privaten Bereich hinausgehende Motive seien nicht zu erkennen.

Journalisten äußerten zuvor den Verdacht, ihr Kollege sei von Rechtsextremisten ermordert worden. Niemand habe Anzeichen von Suizidabsichten bemerkt. Falko Ballon sei „voller Tatendrang“ gewesen. Der Mordverdacht gründete sich darauf, daß Ballon für den MDR über einen kürzlich in Bautzen eröffneten Prozeß gegen fünf mutmaßliche Neonazis berichtet hatte und dort offenbar massiv von glatzköpfigen Prozeßbesuchern bedroht worden war. Staatsanwalt Anders bestätigte, daß mehrere Skins die Eröffnung des Verfahrens lautstark gestört hatten und die Polizei einschreiten mußte. Das Protokoll des Richters vermerke „ungebührliches Benehmen“ im Saal. Es gebe jedoch „keine Anhaltspunkte“ für einen Zusammenhang mit dem Tod des Reporters. Nicht nachweisbar sei auch eine angeblich auf dem Anrufbeantworter des Toten eingegangene Drohung: „Dir wird es ergehen wie dem Mann im Wald.“

Diese Worte beziehen sich auf Teilgeständnisse, die von zwei Angeklagten abgelegt wurden. Danach hatten die Täter im Alter von 16 bis 35 Jahren, allesamt aus rechten Cliquen in Hoyerswerda, ihr 38jähriges Opfer in ein Waldstück verschleppt, gefesselt und mit brennbaren Chemikalien übergossen. Als sich die ätzende Flüssigkeit nicht entzünden wollte, urinierten sie in die Wunden des Mannes. Nach Aussage des Opfers habe einer der Angeklagten gesagt: „Hier ist die Stelle, wo du sterben wirst.“ Die Gruppe habe ihn am Rande eines Moores zurückgelassen. Zur Tatzeit war das Opfer per Haftbefehl gesucht worden. Derzeit sitzt es in der Justizvollzugsanstalt Dresden ein. Die bisherigen Aussagen im Bautzener Prozeß legen die Vermutung nahe, daß sich als Täter und Opfer rivalisierende Banden gegenüberstehen, die mit Zuhälterei, Autoschieberei und Waffenhandel befaßt sind. Ein Urteilspruch wird nicht vor November erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen