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Flüchtlinge waren seit Wochen bedroht

Die Brandstiftung in Herford war angekündigt / Bewohner und Polizei vermuten statt eines rassistischen Hintergrundes eher das schlimme Ende eines Beziehungsdramas  ■ Von W. Jacobs und B. Markmeyer

Vor der Containersiedlung liegen verkohlte Betten, Sessel und Kleidungsstücke. Die beiden großen 20-Liter-Kanister, die den Überlebenden des Brandanschlages bei ihrer Flucht aus den beengten Containern am frühen Mittwochmorgen sofort aufgefallen waren, hatte die Polizei gestern morgen schon weggeschafft. In diesen Behältnissen transportierten die Täter ihre tödliche Fracht. Für die 23jährige Bukurije Haliti und ihren 11jährigen Bruder Navgim kam jede Hilfe zu spät. Von einer Nebelkerze gezündet, setzte das Benzin die ersten Container in rasanter Geschwindigkeit in Brand. 77 Menschen, darunter fast 30 Kinder, wachten gerade noch rechtzeitig auf, um sich ins Freie retten zu können.

Von den Überlebenden glaubt nach den Worten von Barbara Schröder-Sagir (46) „niemand an einen fremdenfeindlichen Hintergrund“. Schröder-Sagir kümmert sich seit 1990 intensiv um die Flüchtlinge, die überwiegend aus dem ehemaligen Jugoslawien und Rumänien kommen. Nach ihrer Aussage wurden die AsylbewerberInnen seit Wochen von einem Mann terrorisiert, der zuletzt mehrmals offen damit gedroht hatte, die Containersiedlung abzubrennen.

Ein Sondereinsatzkommando der Polizei nahm gestern nachmittag auf einer Hamburger Baustelle zwei 40- und 43jährige türkische Männer fest. Ein Sprecher der Hamburger Polizei erklärte, einer der beiden sei dringend tatverdächtig, während der andere auch als Zeuge in Betracht komme. Über die Hintergründe der Tat herrschte bis Redaktionsschluß noch Unklarheit.

Ein Sprecher der ermittelnden Bielefelder Polizei sagte, es handele sich vermutlich um das blutige Ende eines Beziehungsdramas. Rassistische Motive könnten ausgeschlossen werden. Schröder-Sagir meinte, ein Türke habe die Familie der Opfer täglich angerufen und gedroht.

Der Brand in der umzäunten Containeranlage am Herforder Fußballstadion war um 4 Uhr früh von einem Nachbarn bemerkt worden. Um 4.05 Uhr ging der Alarm bei der Feuerwehr ein. Schröder- Sagir, die in der Brandnacht bei den AsylbewerberInnen war, sagte, die Bewohner der Container hätten den Brand selbst nicht bemerkt. „Es ging alles viel zu schnell.“

Als die ersten Feuerwehrleute acht Minuten später am Brandort eintrafen, stand eine Baracke bereits in Flammen. Die Leichen der 23jährigen und ihres Bruders fanden die Feuerwehrleute gegen 5 Uhr in einer der brennenden Baracken. Der Elfjährige hatte vermutlich versucht, seiner taubstummen Schwester zu Hilfe zu kommen. Die Geschwister stammen aus dem Kosovo und lebten mit ihren Eltern und vier weiteren Geschwistern seit vier Jahren in Herford.

Zum Zeitpunkt des Anschlags hielten sich nach Angaben der Herforder Polizei 70 Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder, in dem Containerdorf auf. Sie wurden evakuiert und den gestrigen Tag über vom Roten Kreuz in Herford betreut.

Einige hatten leichte Rauchvergiftungen erlitten und Schnittwunden bei dem Versuch, durch die Fenster zu entkommen. Die Angehörigen der Opfer standen unter Schock. Die Stadt stellte den Flüchtlingen Ersatzwohnungen zur Verfügung. In dem Containerlager waren überwiegend Kosovo- Albaner und Flüchtlinge aus Rumänien untergebracht.

In der Vergangenheit hatte es wiederholt rechtsradikale Übergriffe auf das völlig abseits gelegene Containerlager gegeben. Mal warfen rechte Gesinnungstäter Steine auf die Gebäude, mal skandierten sie unmittelbar vor den Gebäuden rechte Parolen. Vor gut zwei Jahren hatte es schon einmal gebrannt. Eine Frau erlitt erhebliche Verletzungen. Aufgeklärt wurde der Brand nie.

Dann kamen zwei Motorradfahrer mitten in der Nacht und schleuderten einen Brandsatz auf das Gebäude. Der konnte ganz schnell gelöscht werden, erzählt Frau Schröder-Sagir, die in jener Nacht selbst anwesend war. Fast vier Monate lang hat sie in den Containern aus Solidarität mit den bedrohten Flüchtlingen gelebt und an den selbst organisierten Wachdiensten teilgenommen. Nach dem Abflauen des rechten Terrors lief auch der Wachdienst aus. So konnten der oder die Täter sich jetzt unbemerkt der Siedlung nähern.

Mit gemischten Gefühlen betrachtete die Diplompädagogin gestern den von einem Aktionsbündnis gestern spontan einberufenen Schweigemarsch. Unter dem Motto: „Sagt nein, wenn die Verhältnisse es möglich machen, daß Menschen brennen“, sollte am Abend eine Demonstration und ein Gottesdienst in der Herforder Innenstadt stattfinden. Angesichts der widersprüchlichen Radio-Meldungen über den Tathintergrund hätten wohl auch einige Aktivisten den Marsch lieber abgeblasen. Doch dafür war es zu spät, denn, so Eckard Laeger vom Herforder Arbeitslosenzentrum, „so eine Aktion ist so schnell nicht zu stoppen“.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) war am Morgen nach Herford gekommen. Zu diesem Zeitpunkt konnten rassistische Motive für den Anschlag noch nicht ausgeschlossen werden. Am späten Nachmittag versammelte sich auf dem Herforder Markt gestern eine Gruppe von Menschen, um der Opfer des Anschlags zu gedenken.

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