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Und das Hämmerchen zuckt

■ Vom Zweispitz bis zur Säge: Der Besitz des Altonaer Theaters wird versteigert

Die Äuglein blinken hinter der dünnrandigen Brille, der lindgrüne Anzug sitzt. Dessen Ärmel schwingen raumgreifend, mal rechts, mal links. Zwischendurch zuckt ein kleines, schwarzes Hämmerchen auf und nieder – verharrt scheinbar kurz, um dann Anlauf zu nehmen – und mit einem kleinen „Klack“ landet es auf der Tischplatte: Eine von vielen Requisiten aus dem Altonaer Theater hat schon wieder eine neue Herrin oder einen neuen Herrn gefunden.

Im Auftrag des Konkursverwalters Gerd Weiland wird der Besitz des Theaters versteigert. Der Bühne des greisen Intendanten Hans Fitze, der über seine Nachfolge nicht mit sich reden ließ, wurde deshalb die städtische Subventionierung versagt und ging pleite.

Michael Meyer, Chef des hanseatischen Auktionshauses Walter H.F. Meyer, leitet den Ausverkauf. In einer Stunde will er 100 bis 150 Positionen seiner Auktionsliste abgeklappert haben. Als er das seinem Publikum erklärt, ist es kurz nach 11 Uhr, die Veranstaltung hat just begonnen. Weil so viele Dinge zu versteigern sind – allein 8000 Kostüme hängen auf den Ständern – rechnet Herr Meyer damit, daß seine Arbeit mindestens bis Montag dauern wird.

Zur Disposition steht alles, was ein Theater beherbergen kann: Vom Chinesenhut mit Zopf, von Zweispitz und Königswams über schwülstige Barockstühle, Büromöbel und antike Rollstühle bis hin zu Tonband-Maschinen, Effektgeräten, Bohrern, Kaffeekannen und schwerem Samtvorhang. Gezeigt werden die Sachen nicht, alles ist fein numeriert auf der Auktionsliste aufgeführt, wer jetzt nicht weiß, wie die aufgerufene Stichsäge aussieht, hätte bei der Vorbesichtigung gestern morgen sorgfältiger sein müssen.

Der Mann in dem lindgrünen Anzug hat die Leute im Griff. Während es aus ihm heraussprudelt „hundert-hundertzehn-hundertzwanzig-da-sehe-ich-hundertdreißig“ läßt er die Augen über den Saal schweifen und unterbricht sich selbst: „Sie halten ihre Bieter-Nummer falsch herum!“ Einen Drehstuhl wird er für seinen Einstiegspreis nicht los. „Was meinen Sie?“ fragt er ins desinteressiert schauende Auditorium. „20“ antwortet es daraufhin aus der rechten Ecke. Meyer kontert: „Sie sind mit dem Fahrrad gekommen?“

Auch ein paar Holzleisten lösen nicht unbedingt kämpferisches Bieten aus. Schließlich eine zögerliche Stimme: „Zehn Mark“. „Mühsam nährt sich das Eichhörnchen“, stöhnt der Auktionator. Dann zuckt das Hämmerchen kurz, – „zum ersten, zum zweiten, zum dritten“ – und saust nieder. Greta Eck

Altonaer Theater, Probebühne, Chemnitzstraße 82, 22 767 Hamburg, ab 11 Uhr.

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