: Junge Linke ohne Rechte
■ Behörde verweigert „Jungdemokraten“ Räume für Kongreß, Gericht tendenziell gegen Demo
Radikale haben in Bremen momentan schlechte Karten – selbst wenn sie „Radikal für Freiheit“ sind. So lautet das Thema eines Kongresses, den die „Jungdemokraten/Junge Linke“ (Judos) am Wochenende im Schulzentrum an der Alwin-Lonke-Straße abhalten wollten. Die bereits mündliche zugesagten Räume hat die Bildungsbehörde am Mittwoch kurzfristig gekündigt – die aus ganz Deutschland anreisenden 83 TeilnehmerInnen stehen im Regen.
Für die Bildungsbehörde hat die Absage allerdings rein „schulorgainsatorische Gründe“, wie die Sprecherin Birgitt Rambalski sagte. Am 6. September hatten die Judos einen Raumnutzungsantrag bei der Behörde gestellt. Schulleiter und Hausmeister der Schule seien einverstanden gewesen, die Behörde habe ebenfalls Zustimmung signalisiert.„Der Haupthausmeister ist krank geworden und der Hilfshausmeister kann die aufwendige Technik in der Schule nicht allein bedienen“, meint Rambalski.
Auch mit ihrer geplanten Demonstration kommen die Judos nicht voran. Am Mitwoch war sie vom Stadtamt bereits verboten worden. Gestern berieten Vertreter von Polizei, Stadtamt und Judos vor dem Verwaltungsgericht über die Klage auf Zulassung der Demo. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ergeht heute, aber eine Tendenz wurde deutlich: Die Demo wird nicht erlaubt werden. Ständiges Argument von Stadtamts-Vizechef Becker sei es gewesen, so die Judos, daß „unter dem Schutzmantel der Legalität, sich Gewaltbereite zusammenrotten könnten“. Die Judos werden vom Verfassungsschutz nicht als „randalierende Chaoten“ eingestuft. Am Rande der Verhandlung wurde bekannt, daß es am Montag doch noch eine legale Demonstration geben wird: Die „Menschen gegen Rechts“ dürfen sich laut Aussage von Becker nachmittags auf dem Goetheplatz versammeln.
Nach dem versuchten Bombenanschlag auf das FDP-Büro war gestern früh auch die Bezirksstelle der SPD in Bremen Nord das Ziel von Angreifern: Unbekannte durchschossen in der Nacht die Tür des Büros mit einer Metallkugel und kippten stinkende Buttersäure in die Räume. Die Polizei hat nach Angaben der Innenbehörden-Sprecherin, Merve Pagenhardt, die Bewachung „schutzwürdiger Einrichtungen“ verstärkt. Es werde alles getan, um ein „Höchstmaß an Sicherheit zu leisten“.
Kritik an dem Demonstrationsverbot der Innenbehörde kam gestern gleich von mehreren Seiten. Politiker, die am Tag der deutschen Einheit „demokratische Grundrechte außer Kraft setzen, verfehlen den Sinn, den ein solcher Tag haben könnte, um (Bann)Meilen“, hieß es in einer Erklärung des Kulturzentrums Schlachthof. Auch der grüne Innenpolitiker Martin Thomas mahnte, das Verbot der Veranstaltungen dürfe kein generelles Demonstrationsverbot am 3. Oktober nach sich ziehen. „Wer friedlich demonstrieren will, muß das können.“ Allerdings machte er den Organisatoren der Demo den Vorwurf, durch ihr Verhalten das Verbot provoziert zu haben: „Die politisch verantwortungslose Planung des Bremer Bündnisses gegen die Nationalfeiern hat ein Demonstrationsverbot nach sich gezogen.“
Inzwischen gibt es einen vierten Aufruf dazu, am 3.10. auf die Straße zu gehen. Rudolf Prahm, stadtbekannter Kriegsgegner, will heute beim Stadtamt eine „Demonstration freier Kirchgang“ anmelden. Montag morgen um neun Uhr will er zur Ansgarii-Kirche ziehen, um zu verhindern, daß der Tag der Einheit „auf Geheiß eines Senators zum Tag der Deutschen Spaltung“ werde: Spaltung in „solche Christen, die den Tag mit Gottes Segen in Ansgarii feiern dürfen und in solche, die das von Staats wegen nicht dürfen.“
Wenn seine Demo verboten wird, will Prahm rechtliche Schritte einleiten und sein Anliegen „bis zum Kirchensenator Wedemeier“ tragen. „Ich will gegen das generelle Demonstrationsverbot protestieren“, meinte Prahm. „Wenn van Nispen die Veranstaltungen von heute auf morgen verbietet, kann ich eine Demonstration auch von heute auf morgen anmelden.“
fok/bpo/dpa
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