piwik no script img

Kein Sündenfall beim Kinderkanal?

■ Hamburgs Medienanstalt genehmigt den umstrittenen Pay-Kanal premiere 2

Der Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) hat sich nach turbulenter Sitzung am Mittwoch abend für eine Lizensierung des von dem Pay-TV-Kanal premiere geplanten Kinderprogramms („premiere 2“) ausgesprochen. Drei Gutachten hätten ergeben, daß konzentrationsrechtlich keine Bedenken bestünden, sagte gestern der stellvertretende HAM-Direktor Direktor Lothar Jene. Erzürnt über kritische Presseberichte „von Leuten, die nicht wissen, wovon sie reden“, veröffentlichte die HAM gestern zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung ein sechsseitiges Papier.

Druck auf die Medienanstalten

Ob eine Sendeerlaubnis für den zweiten Pay-TV-Kanal von premiere nach dem Rundfunkstaatsvertrag zulässig ist, war in den vergangenen Monaten Gegenstand heftiger Kontroversen unter den Medienanstalten der Länder. Deren Direktorenkonferenz (DLM) stimmte wiederholt dagegen. Und der DLM-Vorsitzende Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, hatte kürzlich von einem „Sündenfall“ gesprochen, wenn die HAM „unter Druck der Unternehmen“ premiere 2 zuließe, der „noch folgenschwerer wäre als die Zulassung von Super RTL“. Auch beim letzten DLM-Votum vor zwei Wochen hielten nur elf Anstalten premiere 2 für legitim, drei waren dagegen, eine enthielt sich. Erforderlich wäre eigentlich eine Dreiviertelmehrheit gewesen. In einem ähnlichen Fall (Pro7) hatte sich im Juli Schleswig-Holsteins Medienanstalt über die konzentrationsrechtlichen Bedenken der anderen, darunter auch der HAM, hinweggesetzt und dem Kirch-Sender einen Persilschein ausgestellt. Und die Düsseldorfer Anstalt (LfR) hatte am 2. August den dritten RTL-Kanal genehmigt, obgleich die DLM am selben Tag mit 13:1 klar dagegen votiert und beschlossen hatte, sämtliche unkoordinierten Einzel-Lizensierungen auszusetzen, um einem Verdrängungswettbewerb „nach dem Windhundprinzip“ vorzubeugen. Rund 20 Lizenzanträge sind mittlerweile bei den Medienanstalten aufgelaufen, darunter mit Super RTL (CLT/Disney) und Nickelodeon (Viacom) auch zwei potente Premiere 2-Konkurrenten, die mit einem unverschlüsselten Programm unverschlüsselt auf Kinder zielen. Vor zwei Wochen beschloß die DLM, eine Prüfgruppe einzurichten, die bis Jahresende eine neue Koordinierung unter den Medienanstalten erarbeiten soll.

Bei ihrem ersten Premiere 2- Bescheid im Frühjahr hatte die HAM wissen lassen, daß sie inhaltlich keinerlei Einwände gegen den geplanten Kinderkanal habe, die Zulassung aber abgelehnt.

Vereinbarung gegen den Wettbewerb?

Sie legte damals „Wert auf die Feststellung, daß dies wesentlich mit einer medienkonzentrationsrechtlich relevanten Beherrschungssituation bei premiere zu tun hat, deren zentraler Anknüpfungspunkt eine Wettbewerbsvereinbarung mit gegenseitiger Bindung der Gesellschafter im Pay- TV-Bereich ist“. Premiere gehört zu je 37,5 Prozent der Bertelsmanntochter Ufa und dem französischen Canal+ sowie zu 25 Prozent dem Kirch-Konzern. Die Wettbewerbsklausel im Premiere- Gesellschaftsvertrag besagt, daß die drei Beteiligten alle weiteren Pay-TV-Aktivitäten in Deutschland nur gemeinsam unternehmen können.

Eine „Beherrschungssituation“ bei premiere kann die HAM aber nicht mehr ausmachen, weder durch Bertelsmann noch durch Kirch, dessen schon x-mal verkaufte Uraltserien wie „Biene Maja“ oder „Feuerstein“ auch die Premiere-Kids beglücken sollen. Ebensowenig habe die Wettbewerbsklausel im Premiere-Gesellschaftsvertrag etwas mit Medienkonzentration zu tun. Das hätten, so Jene, die Gutachter ja nun bewiesen. Ulla Küspert

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen