: Hubbard-Sinnspruch schmückte Einladung
■ Scientology findet CDU-Freunde
Berlin (taz) – Vor einer Woche forderte Arbeitsminister Norbert Blüm in der Welt am Sonntag eine „wesentlich härtere und schnellere Bekämpfung“ der Scientology-Organisation. Jetzt hat die CDU offenbar selbst ein Scientology-Problem. Ingrid Borchert, die Frau des Bonner Landwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU), ist in Verdacht geraten, die rabiate Sekte zu unterstützen.
Am 11. Juni 1993 lud die Minisstergattin zu einer Vernissage auf ihrem Bauernhof in Wattenscheid, Thema: „Europa – grenzenlos“. Die Begrüßungsrede, so wurde den Gästen verheißen, werde der Minister persönlich halten. Neben einer Geländeskizze zierte die Einladungskarten folgendes Motto: „Eine Kultur ist nur so groß wie ihre Träume, und ihre Träume werden von Künstlern geträumt. L. Ron Hubbard.“
Hubbard war der Gründer und Guru von Scientology. Sein Sinnspruch über die Künstler schmückt Scientology-Werbebroschüren und die „Celebrity Centers“ der Sekte, wo Prominente aus Kunst, Kultur und Politik geworben und „betreut“ werden. Wer Hubbard zitiert, gerät in den Verdacht, Scientology salonfähig zu machen. Der Vorgang um die Ministergattin, jetzt ans Licht gekommen, ist um so skandalöser, weil Scientology gerade in diesem Jahr eine große Kampagne gegen die Bundesregierung gefahren hat („Clear Deutschland“).
Die SPD-Sektenexpertin Renate Rennebach fragte am 16. September die Bundesregierung, wie sie die seltsame Einladung bewerte und was sie unternommen habe, „um jegliche Form der Unterstützung der Scientology durch Kabinettsmitglieder auszuschließen“. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten antwortete vergangenen Freitag knapp, es sei abwegig, aus dem Umstand, daß auf der Ausstellungseinladung mit dem Hubbard- Spruch geworben werde, „die Unterstützung einer bestimmten Organisation abzuleiten.“
Der Berliner Sektenpfarrer Thomas Gandow nennt diese Distanzierung „völlig unzureichend“. Gandow: „Ein Minister oder eine Ministergattin, die auch nur im Verdacht stehen, mit Scientology in Kontakt zu stehen, sind nicht tragbar, weil sie erpreßbar sind.“ Ministergattin Ingrid Borchert sagte auf Nachfrage, daß sie den Namen Hubbard „nicht gekannt“ habe. Das Zitat habe ihr die befreundete Galeristin Rita Theis vorgeschlagen. „Wir haben damit absolut nichts zu tun“, so Ingrid Borchert, „hätten wir das gewußt, hätten wir den Spruch nicht genommen.“ Außerdem sei Hubbard ja „schon seit zehn Jahren tot“.
Offenbar war nicht nur ihr, sondern auch ihrem Ehemann, dem Minister, entgangen, wer L. Ron Hubbard ist. Das ist um so merkwürdiger, als seine Partei schon im Dezember 1991 einen Beschluß faßte, der die gleichzeitige Mitgliedschaft bei CDU und Scientology ausschloß und damals großes Aufsehen erregte. F. Nordhausen/L. v. Billerbeck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen