Kein Pardon für die Generäle

■ Haitis gewählter Präsident Aristide lehnt eine Generalamnestie für die Putschmilitärs ab

Port-au-Prince (AFP/AP/dpa) – Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit darf es keine Straffreiheit geben. Mit dieser Begründung lehnt Haitis Präsident Jean-Bertrand Aristide eine generelle Amnestie für die Militärs seines Landes ab. Zum ersten Mal seit Beginn der Landung von US- Truppen in Haiti hat sich Aristide in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN ausführlicher zur Amnestie geäußert. In den drei Jahren der Militärherrschaft auf Haiti waren mindestens 3.000 Menschen getötet worden. Putschgeneral Raoul Cédras reagierte prompt auf Aristides Erklärung: Ohne eine Generalamnestie für alle Militärangehörigen werde er nicht zurücktreten, erklärte Cédras ebenfalls in CNN. Er verwies auf das Abkommen, das US-Unterhändler Jimmy Carter mit den Generälen ausgehandelt hatte. Zu Unrecht, denn darin heißt es, „bestimmte“ Offiziere der Armee, gemeint waren die Generäle Cédras und Biamby, würden umgehend zurücktreten, wenn das Parlament eine Generalamnestie beschlossen hätte, spätestens jedoch am 15. Oktober. Nun will Cédras auch dann nicht gehen.

Aristide zieht sich mit seinem Einspruch auf die Formulierungen des Abkommens von Governors Island zurück, das einzige, das er selbst mit unterzeichnet hatte. Das Abkommen sicherte den Generälen nach ihrem Rücktritt Straffreiheit für den Putsch zu, von einer Amnestie für alle Militärangehörigen, die wegen Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wurden, war darin aber nicht die Rede.

Genau über diese allgemeine Amnestie sollte das haitianische Parlament in seiner Sitzung vom Mittwoch abend beraten. Nur eine Stunde dauerte die Sitzung, zu der 54 Parlamentarier erschienen waren, darunter zehn kurz zuvor aus dem Exil eingeflogene Aristide-Anhänger. Beide Kammern waren beschlußfähig. Parlamentspräsident Firmin Jean-Louis verlas jedoch neben der Tagesordnung lediglich eine Dankadresse an die US-Regierung für die Entsendung der Truppen nach Haiti. Dann vertagte sich das Parlament auf Donnerstag. Auch verschiedene Abgeordnete sprachen sich gegen eine Generalamnestie aus, so daß der Ausgang der Beratungen ungewiß erscheint.

Nur zwei Häuserblocks vom Parlamentsgebäude entfernt, das von US-Truppen gesichert worden war, trieben den Militärs nahestehende Milizionäre eine Demonstration für die Rückkehr Aristides mit Schüssen auseinander. Ein Demonstrant erlag inzwischen seinen Verletzungen. Die Demonstration hatte offenbar den Parteisitz der rechtsradikalen FRAPH zum Ziel. Die FRAPH gilt als politischer Arm der Militärs und der Todesschwadrone, der sogenannten attachés.

Gegen die attachés richtete sich in den letzten Tagen die Wut einiger Anhänger Aristides. In Borgne, östlich der Hafenstadt Cap-Haitien, wurden fünf mutmaßliche Sympathisanten des Militärregimes getötet, darunter ein attaché. Im Armenviertel Cité Soleil hingegen wurde ein Mann erschossen aufgefunden, der von den Todesschwadronen ermordet worden sein soll. Angesichts der neuen Gewalttaten sind die Sicherheitsvorkehrungen für die heute geplante Großdemonstration von Aristide-Anhängern in Haitis Hauptstadt verstärkt worden. Siehe Seite 10