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Ökozentrum statt Olympiadorf

■ Schüler lernen Säen und Ernten in Alt-Stralau / Hochhauspläne des Senats trüben die Freude / Keine Mitsprache für Anlieger / Bündnisgrüne für autofreies Wohnen

Wo einst olympische Luftschlösser schwebten, regiert nun der stadtplanerische Alltag. Ein Ökozentrum wurde jetzt auf der Halbinsel Stralau am Ostkreuz eingeweiht – wo ein Olympiadorf geplant war.

Martina Albinus, Bezirksstadträtin für Bau- und Wohnungswesen in Friedrichshain, stellte das neue ökologische Zentrum vor. Auf dem Gelände der alten Bezirksgärtnerei lernen sozial benachteiligte und lernbehinderte Schüler, wie gesät und geerntet, Erde gedämpft und Unkraut gezupft wird. Dieses Projekt soll die Chancen der Absolventen der Loschmidtschule – der einzigen Berufsschule Berlins mit sonderpädagogischen Aufgaben – auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Für den Bau eines Gewächshauses mit neun Klimazonen stellte der Senat 700.000 Mark zur Verfügung.

Doch die allgemeine Freude über dieses Starterprojekt wird durch die Kritik an den weiteren Planungen auf der Stralauer Halbinsel getrübt: „Die irrsinnigen Bruttogeschoßflächen, die dort entstehen sollen, verschandeln nicht nur die Halbinsel, sondern führen auch zu unnötigen neuen Verkehrsströmen“, klagt Thomas Pudelko, der in der Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS) engagiert ist. BISS kooperiert mit einer inoffiziellen Bürgervertretung Stralauer Halbinsel, die durch ihren Zusammenschluß vor allem einer Verdrängung vorbeugen wollen. Eine offizielle Betroffenenvertretung existiert nicht. Die Entwicklungsträgergesellschaft Rummelsburger Bucht (ERB), Stadt und Bezirk planen munter drauflos, ohne Anlieger einzubinden.

Kritik kommt auch aus dem Abgeordnetenhaus: Michaele Schreyer vom Bündnis 90/Die Grünen (AL) bedauert, daß versäumt wurde, ein Konzept für autofreies Wohnen umzusetzen: „Das Gebiet wäre dafür ideal.“ Die Bebauungsdichte hält sie ebenfalls für zu hoch: „Vor allem bei der Planung der Büroflächen wird von falschen Erwartungen ausgegangen.“ Außerdem würden die geplanten Hochhäuser die Halbinsel von der Stadt abriegeln.

Helfen nur Hochhäuser gegen die Wohnungsnot?

Das sieht Bernd Cronjaeger, Geschäftsführer der ERB, ganz anders: „Aus dieser altlastenbefrachteten Brache soll schließlich wieder ein Stück Stadt werden.“ Bei der Hochhausplanung sei die stadtlandschaftliche und stadtklimatische Seite berücksichtigt worden. Die von der ERB geplante Bruttogeschoßflächenzahl von über 1,2 Millionen Quadratmetern im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht hält er für gerechtfertigt. „Das Gebiet ist dank des Ostkreuz' sehr gut an den öffentlichen Personenverkehr angeschlossen und somit als bedeutendes Subzentrum prädestiniert“, verteidigt Cronjaeger. „Der Auftrag Berlins ist es, viele Wohnungen und Arbeitsplätze zu schaffen, das heißt eben auch höhere Häuser.“

Unrealistisch ist laut Cronjaeger hingegen ein autofreies Konzept in einer Gegend, wo über 13.000 Menschen wohnen und über 12.000 Menschen arbeiten sollen. Er setzt auf Verkehrsreduzierung und die Vernunft der Anwohner. Dazu Pudelko: „Das läuft auf eine Verkehrsberuhigung hinaus, die sowieso schon Standard ist.“

Martina Albinus reagiert da verhaltener: „Der Bezirk unterstützt die Initiative Autofreies Wohnen“, beteuert die Baustadträtin. Eine Realisierung sei aufgrund der Rechtslage jedoch nicht möglich, glaubt sie.

Das letzte Wort zu den Büroflächen ist für das Bezirksamt noch nicht gesprochen: „In Berlin geht der Trend wieder weg von der massiven Ausweisung von Büroflächen. Investoren haben die Möglichkeit und das Interesse an einer Änderung ihrer ersten Planungen in Richtung Wohnbebauung.“ Pudelko ist optimistisch: „Nachdem Olympia geplatzt ist, haben wir weniger Zeitdruck.“ Dadurch, hofft der BISS-Mann, erhöhe sich die Chance, die Planung zu beeinflussen. Lars Klaaßen

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