Gestatten, Genosse Lula

■ Aus der Armut zum Fast-Präsidenten

Er ist die brasilianische Ausgabe des amerikanischen Tellerwäschers. Als Luis Inacio „Lula“ da Silva vor 49 Jahren in dem Städtchen Garanhuns im nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco zur Welt kam, schien sein Leben im Teufelskreis der Armut vorgezeichnet. Den Geschmack frischgebackenen Brotes entdeckte er erst im Alter von sieben Jahren. Sein erstes Geburtstagsgeschenk bekam er mit fünfzehn: er schenkte sich selber einen Fußball.

Luis Inacio Lula da Silva hat allen Grund, sich trotz der prognostizierten Wahlniederlage als Sieger zu fühlen. Der untersetzte Brasilianer aus dem verarmten Nordosten des Landes hat eine außerordentliche Karriere vorzuweisen. Die Befreiung aus der Armut begann mit der radikalen Entscheidung seiner Mutter Euridice im Jahr 1952, zusammen mit ihren acht Kindern ihrem Ehemann Aristides nach São Paulo zu folgen. Lulas Vater war von der Ankunft der Familie weniger angetan – er hatte bereits eine neue gegründet.

In São Paulo verkaufte der siebenjährige Lula zunächst Erdnüsse und Orangen auf der Straße. Im Alter von vierzehn Jahren gelang ihm der Absprung in die Metallindustrie: er ergatterte eine Lehrstelle als Drechsler.

Ein Arbeitsunfall bereitete seiner Flucht aus dem Elend beinahe ein Ende. Bei einer Extraschicht im Morgengrauen ließ eine Kollegin aus Versehen den Hebel der Metallpresse locker – was Lula den kleinen Finger der linken Hand kostete. – Als Metallarbeiter begann Lula, sich für die Forderungen der Gewerkschaft zu interessieren. Sein Organisationstalent führte dazu, daß er zweimal hintereinander zum Vorsitzenden der Metallarbeitergewerkschaft im Industrieort São Bernardo do Campo gewählt wurde. 1978 kostete ihn die Organisation von Massenstreiks gegen die Militärherrscher kurzfristig seine Freiheit. Kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis gründete er 1980 die brasilianische Arbeiterpartei PT, gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsführern, Politikern und Intellektuellen, die Widerstand gegen das Militärregime geleistet hatten.

Die Angst vorm Elend sitzt dem 49jährigen noch heute im Nacken. 1970 verlor Lula seine Frau und seinen Sohn im Kindbett. Die Ärzte in dem öffentlichen Krankenhaus hatten schlicht übersehen, daß die Schwangere an Hepatitis erkrankt war.