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Tontons Macoutes noch nicht besiegt

Angstvolle Spannung in Haiti vor der Großdemonstration der Aristide-Anhänger / Granatenterror der regimetreuen Schlägertrupps / Entwaffnung klappt nicht  ■ Aus Port-au-Prince Hans Christoph Buch

Zum schwersten Zwischenfall seit der Landung der US-Truppen auf Haiti kam es am Donnerstag nachmittag in Port-au-Prince. Auf dem zum Hafen führenden Boulevard La Saline, nicht weit vom Hauptquartier der US-Armee, hatten friedliche Demonstranten für den Rücktritt von Militärmachthaber Raoul Cédras und die Entwaffnung der Schlägerbanden, der „Attachés“, demonstriert. Plötzlich explodierte mitten in der Menschenmenge eine Handgranate. Nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten war sie aus einem Gebäude geworfen worden, in dem ehemalige Angehörige der „Tontons Macoutes“ leben, der berüchtigten Schlägertrupps der Duvalier-Diktatur. Fünf Tote und mehr als zwanzig Verletzte wurden von Ambulanzen abtransportiert, eine von Hunden unterstützte Spezialeinheit der US-Armee stürmte das Gebäude und nahm drei bewaffnete Zivilisten fest. Aufgebrachte Demonstranten plünderten eine Kfz-Reparaturwerkstatt der haitianischen Armee und das angrenzende Lager einer Baufirma, in dem sich die Attentäter verschanzt hatten.

Vor der Großdemonstration, zu der Aristide-Anhänger gestern in Port-au-Prince im Andenken an den dritten Jahrestag des Militärputsches aufgerufen hatten, waren die Nerven aller Beteiligten bis zum Zerreißen gespannt. Der von den Militärs eingesetzte Marionettenpräsident Jonaissaint goß noch Öl ins Feuer, indem er die USA anklagte, das von Jimmy Carter ausgehandelte Abkommen mit dem Putschistenregime gebrochen zu haben. Das Feuergefecht von Cap- Haitien, wo US-Marines am vergangenen Samstag zehn Haitianer getötet hatten, ist Jonassaint zufolge ebensowenig mit einem friedlichen Übergang zur Demokratie zu vereinbaren wie die Fortdauer des von der UNO verhängten Embargos gegen Haitis Militärs. Weder die von Bill Clinton angekündigte Lockerung der Embargobestimmungen noch die Einberufung des haitianischen Parlaments und die Rückkehr des Aristide nahestehenden Evans Paul ins Bürgermeisteramt von Port-au- Prince haben die Spannungen entschärft: Evans Paul, der sich aus Angst vor Mordanschlägen der Militärs im Untergrund versteckt hielt, mußte ebenso wie die frei gewählten Parlamentarier von einer Eskorte der US-Armee zu seinem Büro geleitet werden.

Ein schnelle Lösung der Krise ist nicht zu erwarten: Zuviel Sprengstoff hat sich in Haiti angesammelt – und das nicht nur im übertragenen Sinne. Der von den US-Truppen organisierte Rückkauf von Waffen hat sich nicht bewährt: Nur 25 schrottreife Gewehre aus dem spanisch-amerikanischen Krieg wurden bei den Sammelstellen der US-Army abgeliefert, und die „Attachés“ haben genug Zeit, Waffenlager anzulegen, um nach dem Abzug der US-Truppen gegen Aristide losschlagen zu können. „Couper têtes, brûler cayes“ (Köpfe abschneiden, Häuser niederbrennen) – mit diesem Satz der aufständischen Sklaven zur Zeit der französischen Revolution hat der harte Kern des Regimes, Anhänger der Duvalier-Diktatur und Mitglieder der FRAPH, Widerstand gegen die Demokratie angekündigt.

Die Lage ist explosiv, wenn die amerikanische Besatzungsmacht weiterhin untätig bleibt und das Gesetz des Handelns der Killertruppe überläßt, die Haitis arme Bevölkerung seit Jahren terrorisiert: an der Entwaffnung der „Attachés“ führt kein Weg vorbei.

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