■ Der Pyrrhussieg der G7 während der IWF-Tagung
: Die Emanzipation der Dritten Welt

Nie hätten sich die Umwelt- und Dritte-Welt-Initiativen träumen lassen, daß ihre Forderung, den Internationalen Währungsfonds abzuschaffen, in Madrid Gehör finden könnte. Nun sind es ausgerechnet die Regierungen der G-7-Industriestaaten, die am Wochenende den IWF zwar (noch?) nicht abgeschafft, ihm aber sein weltpolitisches Gewicht entzogen haben. Ihre Weigerung, das Fondskapital neu zu ordnen, um allen Ländern zu ihrem satzungsgemäßen Anteil zu verhelfen, trifft nämlich weniger die Entwicklungsländer als vielmehr den IWF selbst: Er soll, obwohl die früheren Ostblockländer nun Mitglied sind, weitermachen wie zu Zeiten des Kalten Krieges — also ohne ausreichende Mittel versuchen, die Entwicklungsländer wirtschaftlich zu stabilisieren.

Daß dieses „Weiter so“ wenig Sinn macht, hatte IWF-Direktor Michel Camdessus längst erkannt, und so hatte er den Ehrgeiz entwickelt, den IWF zur internationalen Währungspolizei auszubauen und gleichzeitig die Entwicklungsländer stärker in die Weltwirtschaft einzubinden. Nicht umsonst schmähte Tietmeyer die Vertreter der Entwicklungsländer im Interimsausschuß als „Camdessus-Klientel“.

Normal wäre gewesen, daß die G7 ihre Position im Interimsausschuß durchgezockt hätten, während sich die Entwicklungsländer unter leichtem Protest über den Tisch hätten ziehen lassen. Nun aber haben sie erstmals gemeinsam als Arme Position gegen die Reichen bezogen. Das ist kurzfristig eine Sensation und auf lange Sicht für die G-7-Länder ein Problem. Denn wenn die Länder der südlichen Hemisphäre ihre Rolle der hilflosen Armen einfach abstreifen können, stimmt auch die Imperialistenrolle der Industrieländer nicht mehr. Innerhalb der Internationalen Finanzinstitutionen werden auch sie ihre politische Funktion neu definieren müssen. Die Industriestaaten können zwar mit ihrer Stimmrechtsmehrheit weiterhin beschließen, was sie wollen — die übrigen Länder aber wissen nun, daß sie nicht jeden G-7-Beschluß zwangsläufig hinnehmen müssen.

Auch jenes Ritual der Nachwendezeit, nach dem die Jahrestagungen von IWF und Weltbank seit 1990 nur dazu dienten, daß die Industrieländer Geld, und nicht einmal viel Geld, für Osteuropa sammelten, während die Entwicklungsländer zuschauten, ist endlich unterbrochen. Damit ist paradoxerweise die Konstellation von vor 1989 wiederhergestellt: Die osteuropäischen Länder stehen zwischen Erster und Dritter Welt — allerdings auf vollkommen anderer Ebene. Donata Riedel