Boykott oder nicht?

■ Divergierende arabische Beschlüsse zum Wirtschaftsboykott gegen Israel

Tel Aviv (taz) – Spaltung in der arabischen Welt bezüglich der Haltung gegenüber Israel: Wenige Tage nachdem der „Golf-Kooperationsrat“ der ölreichen Golfstaaten nach einem Treffen in New York bekanntgab, daß sie ihren gegen Israel gerichteten sekundären Wirtschaftsboykott aufgeben würden, forderte die Arabische Liga – die alle arabischsprachigen Länder vereint – am Sonntag ihre Mitglieder auf, die 1948 gefaßten Boykottbestimmungen gegen Israel weiterhin voll einzuhalten, bis ein allumfassender, gerechter Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt zustande kommt.

Der Golf-Kooperationsrat war zuvor den halben Weg zur Aufhebung des Boykotts gegangen. Der sekundäre Boykott wird beendet, was nach Meinung von Dan Propper, Präsident des israelischen Industrieverbandes, größere Investitionen internationaler Unternehmen in Israel zur Folge haben wird; der primäre Boykott gegen direkten arabischen Handel oder andere wirtschaftliche Kontakte arabischer Firmen mit Israel bleibt weiter in Kraft. Der arabische Boykott hat laut Propper die israelische Wirtschaft jährlich um Investitionen von über einer halben Milliarde Dollar gebracht. Vor allem europäische und japanische Großunternehmen hätten bisher gezögert, mit der israelischen Geschäftswelt in Kontakt zu treten. Der Beschluß des Golf-Kooperationsrates erfolgte nach einer Aussprache zwischen dem US-amerikanischen Außenminister Warren Christopher und seinem saudiarabischen Kollegen Saud al-Faisal. Außenminister Schimon Peres begrüßte den Beschluß der Golfstaaten und nannte ihn einen „weiteren Schritt zur Beseitigung der Mauern des Hasses, der Trennung und des Boykotts“.

Vor allem wird in Israel angenommen, daß zahlreiche große multinationale „Riesen“, die bisher fürchteten, auf die arabischen Boykottlisten zu kommen, jetzt nicht mehr zögern werden, ihre Geschäfte auch auf Israel auszudehen. Andererseits werden Firmen, die sich unter dem Boykottdruck entschlossen hatten, ihren Handel auf Israel zu beschränken, jetzt in der Lage sein, auch auf den arabischen Märkten zu erscheinen. Touristen, Geschäftsleute, Flugzeuge und Schiffe, die Israel besuchen, sind ab jetzt ohne weiteres auch in den Golfstaaten willkommen.

Aber nach Aussage des israelischen Ministers für Handel und Industrie, Micha Harisch (Arbeitspartei), hat der Beschluß des Golf- Kooperationsrates keine besondere Bedeutung, weil der Boykott praktisch bereits durchbrochen ist: Angesichts des Friedensprozesses haben in den letzten zwei Jahren zahlreiche multinationale Unternehmen in Europa, Amerika und Japan keine weitere Notiz mehr vom Wirtschaftsboykott genommen und operieren problemlos sowohl in und mit Israel wie auch in der arabischen Welt. Amos Wollin