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Aufstand der Armen

Die Entwicklungsländer lehnen den Kompromißvorschlag der Industrieländer über neue Sonderziehungsrechte des IWF ab  ■ Aus Madrid Nicola Liebert

Alles schien vorbei. Theo Waigel verlas vor der Presse schon die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga. Die Gruppe der sieben größten Industrieländer (G 7) hatte ihren Willen kundgetan und einen Kompromiß über die Ausgabe von neuen Sonderziehungsrechten (SZR) vorgestellt: eine einmalige Ausschüttung im Wert von 22,4 Milliarden Dollar hauptsächlich für die bisher leer ausgegangenen osteuropäischen Reformländer.

Auch die Deutschen wären damit einverstanden. Mit wohlwollender Geste wollten sie Gerechtigkeit für die ehemaligen Ostblockstaaten demonstrieren – zumal sie den Nachbarn ja sonst kaum Geld zur Verfügung stellen.

Nur sind die G 7 nicht der IWF. Sie haben beim Internatinalen Währungsfonds zwar fast die Hälfte aller Stimmen. Aber nur fast. Die Entwicklungsländer lehnten den Kompromiß am Sonntag ab zu. Sie verlangen die volle Ausgabe der von Michael Camdessus vorgeschlagenen Summe an Sonderziehungsrechten von (umgerechnet) 50 Milliarden Dollar. Und sie wehren sich dagegen, daß nur die ehemals sozialistischen Länder in den Genuß des neuen Kunstgeldes kommen sollen.

Nach der Sitzung des IWF-Interimsausschusses, in dem 22 Repräsentanten der IWF-Mitglieder die Entscheidungen für die Jahresversammlung treffen, gleicht Camdessus noch mehr einem begossenen Pudel. Keine Einigung über neue SZR, keine Verlängerung der speziellen Kreditfazilität für die osteuropäischen Reformländer über 1994 hinaus – damit hat er keines von seinen Zielen auch nur annähernd erreicht.

Daß die Entwicklungsländer im Schulterschluß mit einigen europäischen Ländern den Aufstand gegen ihn probten, ist eine kleine Revolution. Zum offenen Kampf war es noch auf keiner Jahresversammlung gekommen. Die einen hat der Wunsch getrieben, den G7 einen Dämpfer zu geben, die zunehmend anstelle des IWF das Weltwährungssystem zu managen versuchen. Die anderen wollten der Bevorzugung Osteuropas entgegenwirken. Der Vorsitzende des Interimsausschusses, Philippe Maystadt, fand, es sei „in mancher Hinsicht erfrischend, daß nicht alles bereits am Tag zuvor festgezurrt wurde“.

Die Deutschen stört das Scheitern der Verhandlungen nicht – sie waren ja von vorneherein gegen die Schaffung neuer Devisenreserven gewesen. „Das Ergebnis ist keineswegs negativ oder ein Fehlschlag“, fand Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer. So einig wie Tietmeyer sagt, ist die Gruppe der Sieben jedoch nicht. Vor allem die Franzosen hätten den französischen IWF-Chef Camdessus unterstützen wollen. Frankreich möchte zwar seinen ehemaligen Kolonien Geld zukommen lassen, so sickerte aus der Sitzung durch, andererseits nicht den eigenen Haushalt mit Entwicklungshilfegeldern belasten. Daher wären neue Sonderziehungsrechte durchaus in seinem Interesse.

Direkte IWF-Kredite sind wichtiger

„Es ist keine Katastrophe“, findet ein Schweizer Berater der ukrainischen Regierung. Wichtig seien die bilateralen Verhandlungen über Kredite – Geld gebe es genug, und man werde es schon lockermachen.

Auch andere Länder setzen lieber auf solche Vereinbarungen als auf das Kunstgeld der Sonderziehungsrechte. Unmittelbare IWF- Kredite lassen die Wirtschaftspolitik der jeweiligen Regierungen glaubwürdig erscheien.

Ein senegalesischer UNO-Mitarbeiter ärgerte sich denn auch nur, daß insbesondere die Deutschen immer betonen, es sei ausreichend Liquidität in der Welt vorhanden, so daß zusätzliche SZR die Inflation anheizen würden. „Wo ist denn dieses Geld? Doch nur auf der einen Seite der Welt!“ echauffiert er sich. Er fordert einen neuen Topf für Transfers in die ärmsten Länder, der sich durch Einzahlungen der reichen Länder finanzieren solle. Dann würde kein zusätzliches Geld geschaffen, es gebe also keine Inflationsgefahr. Für ihn hat die Diskussion um den G-7-Vorschlag, SZR im wesentlichen nur den ehemaligen Ostblockstaaten zu geben, vor allem symbolische Bedeutung. „Die Industrieländer schicken die Entwicklungsländer jetzt immer weg mit der Begründung, die Reformstaaten hätten die Zuwendungen viel nötiger für die Transformation ihrer Wirtschaft. Als ob sich nicht gerade auch die afrikanischen Staaten mitten in einem Transformationsprozeß hin zu mehr Marktwirtschaft und Demokratie befänden.“

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