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Keine medizinischen Experimente mit Behinderten

■ Regierung und Opposition lehnen einhellig Entwurf für Bioethik-Konvention des Europarats ab / Union will Würde menschlichen Lebens gesetzlich schützen

Bonn/Straßburg (taz/dpa) – Forschungsexperimente mit im Reagenzglas gezeugten Embryonen oder medizinische Versuche mit Behinderten gehören so schnell nicht zur High-Tech-Wirklichkeit bundesdeutscher Medizin. Bundesregierung und Opposition lehnten jetzt einhellig den Entwurf für eine Bioethik-Konvention des Europarates ab. Die Unionsparteien wollen außerdem ein Gesetz zum Schutz der Würde des menschlichen Lebens durchsetzen.

CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Rüttgers sagte gestern, darin sollten nicht nur die Bedingungen für Organtransplantation und -handel, sondern auch Fragen der Sterbehilfe und des menschlichen Erbguts geregelt werden. Nach dem von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vorgelegten Entwurf sollen u.a. in bestimmten Fällen Experimente an Behinderten zulässig sein, ohne daß diese zuvor zugestimmt haben und ohne daß ihre Vormünder befragt wurden.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte gestern, die Bundesregierung sei nicht bereit, der Bioethik- Vorlage zuzustimmen oder sie zu ratifizieren. „Wir werden Regelungen, die in Widerspruch zu den Grundsätzen unserer Verfassung und unseren gesetzlichen Regelungen stehen, verhindern.“ Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit von Menschen dürften „nur in sehr engen rechtlichen und ethischen Grenzen möglich sein“. Entschieden wandte sich die Ministerin auch gegen die Zulassung von Experimenten, die auf die Weiterentwicklung menschlicher Embryonen in der Retorte abzielen.

Außerdem wolle die Regierung weiter darauf dringen, daß europaweit der Standard des deutschen Embryonenschutzgesetzes erreicht wird. Der Entwurf einer Bioethik-Konvention soll voraussichtlich im Januar nächsten Jahres im Lenkungsausschuß für Bioethik des Europarats weiter beraten werden.

Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Herta Däubler- Gmelin nannte es in einem Gespräch mit der taz unverantwortlich, daß auch in menschliche Keimbahnen eingegriffen werden soll. Außerdem kritisierte die SPD-Politikerin scharf die geplante Zulässigkeit von Experimenten an Behinderten. Es dürfe ferner nicht zulässig werden, daß praktisch ohne Begrenzung bis zum 14. Tag mit Embryonen geforscht werden darf: „All das überschreitet klare Grenzen hin zur Züchtung des Menschen.“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH) forderte gestern den Europarat auf, die „Bioethik-Konvention“ von der Tagesordnung zu streichen. „Menschen mit Behinderung“, so BAGH-Vorsitzende Friedel Rinn, „dürfen weder ideologisch noch praktisch zu Versuchsobjekten degradiert werden.“

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