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Der Preis der Freizeit

■ In Harburg gibt's Ärger um das neue Erlebnisbad an der Außenmühle: Zu viel Luxus und zu teuer, meinen Kritiker

Köpper vom Sprungbrett sind out, Bahnenschwimmen ist mega-out. Gefragt sind Whirlpool und Erlebnisräume, Saunazentren und Palmen. Zumindest sind die Hamburger Wasserwerke (HWW) schon seit längerem davon überzeugt und schlagen jetzt auch in Harburg zu: Auf dem Gelände des alten Freibades am Außenmühlenteich wird heute in Anwesenheit von Promis der erste Spatenstich für das „Freizeitbad MidSommerland“ getan, nach dessen Fertigstellung dann auch die alte Harburger Schwimmhalle am Rathausmarkt abgerissen wird.

Eine „Bürgerkommission“ indes wehrt sich gegen die Erlebnisideologie und streitet für das erschwingliche Baden in natürlicher Umgebung mit guten Sportmöglichkeiten. Dierk Eisenschmidt von Rettet das Außenmühlenbad: „Wir brauchen ein Außenbecken, eine Liegewiese und einen Kiosk - und keine Heißbäder und Solarien.“ Statt drei Mark wie früher im Freibad soll ein Erwachsener im dann einzigen Harburger Schwimmbad MidSommerland acht Mark bezahlen. Für Dierk Eisenschmidt unzumutbar, denn „40 Prozent leben hier von Sozialhilfe, das gibt ein Bad für das reiche Umland.“

Der SPD-Bezirksabgeordnete Hans-Ulrich Niels hingegen sieht in dem neuen Bad ein Zeichen der Zeit und fühlt sich Sparbeschlüssen verpflichtet. „Das alte Außenmühle wurde nicht mehr angenommen“, faßt er seine Erfahrungen als Kassierer im Schwimmbad zusammen. An Spitzentagen hätten ihm nicht mehr als 2000 Menschen Geld zugeschoben, an schlechten oft genug nur 40. Die Initiative hingegen will 3000 bis 5000 Freibadbesucher gezählt haben. Auch die alte Schwimmhalle, so Hans-Ulrich Niels, würde sich nicht mehr rechnen: „Wir dürfen nicht am Defizit zugrunde gehen.“

Das von der Initiative vorgebrachte Sozialargument läßt der Sozialdemokrat Niels ebenfalls nicht gelten. Er habe beobachtet, daß Kinder „erkleckliche Beträge am Kiosk lassen“. Das Geld, das so offensichtlich vorhanden sei, möchte Hans- Ulrich Niels – wie auch die HWW – dann doch lieber über den höheren Eintritt im MidSommerland abschöpfen.

Dafür biete das Bad eben Neues, Schöneres, Größeres – das sportliche Schwimmen läßt es nicht mehr zu. Keine Langbahn, kein Sprungbrett, Wassertiefe nur 1,30 Meter. In den Augen der Initiative eine Planungskatastrophe: „Nicht einmal einen Freischwimmer kann ein Schüler dort machen.“ Die Schulen sind deshalb angewiesen worden, die Kinder für den Schwimmunterricht mit der S-Bahn in das Wilhelmsburger Bad fahren zu lassen. Uwe Ellefsen von der Initiative ist sich sicher: „MidSommerland wird der Harburger Flop des Jahrhunderts.“ Philipp Müller

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