: Die Hilfe, die arm macht
Internationaler Währungsfonds und Weltbank setzen auf private Investitionen / Die Schulden der ärmsten Länder können sie nicht abbauen ■ Aus Madrid Nicola Liebert
Madrid (taz) – Weltbank und Internationaler Währungsfonds wollten einmal den Entwicklungsländern helfen, ihre Schulden zu bezahlen. Inzwischen sind die Kredite der beiden Organisationen selbst zum Problem geworden. Seit 1982, dem offiziellen Datum der sogenannten „Schuldenkrise“, haben sich die Schulden der Entwicklungsländer bei Weltbank und IWF auf über 300 Milliarden Dollar verdreifacht. Viele dieser Länder zahlen mehr an IWF und Weltbank zurück, als sie von dort erhalten. Netto hat die Weltbank minus 731 Millionen Dollar an die Entwicklungsländer „ausgeschüttet“. Rund eine Milliarde Dollar haben 1992 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen an den IWF überwiesen.
Der Entwicklungsausschuß, der 1974 gegründet wurde, besprach vor Beginn der Gouverneurstagung zwar auch diese Fragen. Doch sein Einfluß ist gering. Da die 22 Ausschußmitglieder kein Geld machen können, fielen ihnen nur zwei Dinge ein: stärkere Förderung privater Investitionen und effizientere Nutzung der vorhandenen Fördermittel. Dafür sollten aber die Empfängerländer selber sorgen, meint der Ausschuß und empfiehlt marktorientierte Wirtschaftspolitik. – Zu den Reformprojekten der Weltbank zählt Präsident Lewis Preston vor allem die Förderung privater Investitionen. Die Weltbanktochter International Finance Corporation (IFC) hat 1993 mit 2,1 Milliarden US-Dollar an Privatunternehmen ausgezahlt, das ist doppelt soviel wie noch vor fünf Jahren. Zwar könnte so zusätzliches Kapital in die Entwicklungsländer geleitet werden – für jeden IFC-Dollar kommen sieben Dollar private Investitionsmittel dazu. Doch wegen der Profitorientierung privater Unternehmer stelle diese Strategie eine Gefahr für Umwelt und nicht erneuerbare Rohstoffe dar, warnen entwicklungspolitische Gruppen. Nur bei fünf Prozent aller Vorhaben führt die IFC eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch.
Die Weltbank schlägt in einer noch unveröffentlichten Broschüre immerhin auch Schuldenerleichterungen für solche Länder vor, die sich strikt an die verordneten Anpassungsprogramme halten. Sie können etwa zinsfreie Kredite von der Weltbanktochter International Development Association (IDA) erhalten und damit hoch verzinste Kredite zurückzahlen. In einem Nebensatz gibt die Weltbank aber zu, daß diese Strategie nicht zu spürbaren Verbesserungen geführt habe.
Während die meisten Geschäftsbanken und Gläubigerstaaten mittlerweile einen Teil der Schulden erlassen haben und durch Umschuldung und Abbau der Zinsen Erleichterung gewähren, tun IWF und Weltbank nichts dergleichen. Der Kapitalabfluß aus den armen Ländern, kritisieren die IWF- und Weltbank-Gegner, verhindere jegliche wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung und laufe damit den Zielen der Bretton-Woods-Organisationen zuwider.
Wenn den ärmsten Ländern die Schulden vollkommen erlassen würden und den Schuldnernationen mit mittlerem Einkommen die Hälfte, dann würde dies den IWF 7,3 Milliarden US-Dollar kosten und die Weltbank 12,4 Milliarden, hat Thomas Fues von der deutschen Gruppe WEED errechnet. Der IWF könnte diese Summe leicht aus seinen Goldbeständen von geschätzten 40 Milliarden Dollar begleichen, die Weltbank aus ihren in Wertpapieren angelegten Ersparnissen in Höhe von über 17 Milliarden Dollar. Da die Weltbank jedes Jahr rund eine Milliarde Dollar Gewinn macht, könnte sie ihre Kasse schnell wieder auffüllen. Kein Wort darüber verlor jedoch der Entwicklungsausschuß.
Uneinigkeit herrscht unter den Kritikern jedoch darüber, ob der Erlaß der Schulden mit gewissen Auflagen einhergehen sollte, etwa was die Einhaltung von Menschenrechten anbelangt. Auf dem Gegengipfel in Madrid lehnten viele jegliche Einflußnahme der Gläubigerländer auf die ärmeren verschuldeten Länder als imperialistisch ab.
Doch werden auch zum Beispiel sogenannte Gegenwertfonds diskutiert: Ein Teil der Forderungen würde dann nicht einfach gestrichen, sondern die Regierung des Schuldnerlandes muß die Summe in heimischer Währung in einen Fonds einzahlen, aus dem Umwelt- und Sozialprogramme finanziert werden.
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