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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich

Annie hatte schon über ein Jahr lang als Putzfrau für uns gearbeitet, als sie eines Tages, übers Waschbecken gebeugt, von ihrem Geburtstag erzählte. 14 Busse seien zum Fest nach Swaziland gekommen, berichtete Annie, was wir zugegebenermaßen sehr beachtlich fanden: Schließlich passen in einen typisch südafrikanischen Minibus mindestens 16 ausgewachsene Personen. „Nein“, korrigierte Annie, „nicht Minibusse. Große.“

Okay, sie hatte sich verplappert und mußte nun mit der vollen Wahrheit raus: Sie mache nur wochentags Häuser sauber, beichtete Anna, am Wochenende reinige sie Seelen – als Oberhirte einer rund tausend Schäfchen zählenden Glaubensherde. Die Kirche sei einst von einem Freund ihres Mannes gegründet worden, erklärte sie: Als dieser starb, habe er sie und ihren Mann zu Nachfolgern gesalbt. Wir dankten Gott für seine Gnade: Wo, in aller Welt, kann man denn sonst noch als Putzfrau einen Bischof kriegen? Natürlich änderte sich äußerlich durch Annies Offenbarung nichts: Sie war es, die weiter – schrubbend – auf dem Boden kniete, nicht etwa wir respektvoll vor der Kirchenführerin. Obwohl sich ihre Präsenz als recht segensreich erwies: Als wir bei einem Flugzeugabsturz mit dem Schrecken und einer Rauchvergiftung davongekommen waren, stellte sich heraus, daß Annie in jener Nacht aus auch ihr zunächst unerfindlichen Gründen ein Kerzchen für uns angezündet hatte.

Mindestens genauso hilfreich wie als Mittlerin zum Allermächtigsten erwies sich unsere Bischöfin als Mittlerin zum Volk. Annie, zu deren Kirche neben Zulu-König Goodwill Zwelithini auch ehemalige Gangster gehören, schilderte uns aus erster Hand, wie die Polizei schwarze Killer mit Waffen ausrüstete, um in den Townships Chaos anzurichten. Sie erzählte uns, wie Inkatha-Schergen in der Schule ihres Sohnes 14 ANC-nahe Schüler niedermähten. Von Annie erfuhren wir schließlich auch, unter welchen Bedingungen in Südafrika gewählt wurde: Eines Tages mußte Annie die gesamte Kirche als Inkatha- Mitglied registrieren, um ihre Schäfchen vor Mordanschlägen zu bewahren. Das alles sei nach den Wahlen schon irgendwie besser geworden, sagt Annie heute, doch Hochwürdens Alltagsleben ist von einem Himmelreich auf Erden noch immer Ewigkeiten entfernt. Dreimal hätten Leute schon versucht, sie umzubringen, berichtet Annie. Aus purem Neid, wie sie vermutet. Denn Frau Bischof hat in Swaziland ein Haus, kann ihren Kindern eine Schulausbildung geben und zu ihrem Geburtstag Busse voller Anhänger empfangen: Bei soviel Glück (was Annie selbstverständlich Segen nennt) wird mancher Nachbar gelb. Weil aber auch der Teufel emsig ist, verlor Annie kürzlich ihre Johannesburger Unterkunft und muß seitdem des Nachts bei einem ihrer Schäfchen unterkriechen. Ein Mann habe ihr ein Zimmer angeboten, erzählte sie: Als Gegenleistung sollte sich die Bischöfin zum gelegentlichen Beischlaf zur Verfügung stellen.

Kaum ehrwürdiger verlief der Oberhirtin jüngstes Job-Hunting. Zwölf Mark pro Tag habe man ihr angeboten, berichtete sie aufgebracht und schloß sich kurzerhand der Domestic Servants Union an. Nun ist Frau Bischof Mitglied der Putzfrauengewerkschaft: das Kap zur Guten Hoffnung.

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