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Haitis Mörderchef spielt Versöhnung

FRAPH-Chef Emmanuel Constant ruft die Haitianer zu Frieden und Versöhnung auf – Aristide will ihn verhaftet sehen / Geht auch General Cédras ins Exil?  ■ Aus Port-au-Prince Hans Christoph Buch

Zur gleichen Stunde, als Haitis demokratisch gewählter Präsident Jean-Bertrand Aristide in der UNO-Vollversammlung in New York seine Rückkehr nach Haiti für den 15. Oktober verkündete, trat sein Gegenspieler, der Chef der „Fortschrittspartei“ FRAPH, Emmanuel Constant, in Port-au- Prince vor die Mikrophone und Fernsehkameras. Die FRAPH steht den Putschisten unter Führung von General Raoul Cédras nahe. Sie gilt als Dachorganisation der paramilitärischen Einheiten und der Todesschwadronen. Auf deren Konto waren in der Zeit der Militärherrschaft mehrere tausend Morde gegangen. Noch vor wenigen Tagen waren aus den Büros der FRAPH heraus Pro-Aristide- Demonstranten in Port-au-Prince beschossen worden. Daraufhin hatten US-Einheiten die Parteizentralen in der Hauptstadt und in Cap Haitien gestürmt, zahlreiche Waffen beschlagnahmt und über hundert Personen festgenommen.

Das Spektakel um Constant war angekündigt: „Kommen Sie um zwei Uhr nachmittags zum Denkmal von Toussaint Louverture vor dem Präsidentenpalast“, hatte Stanley Schrager, der Pressesprecher der US-Mission, beim morgendlichen Briefing den Journalisten gesagt, „Sie werden eine Überraschung erleben!“

Dementsprechend gespannt waren die Journalisten, als der Chefideologe der paramilitärischen Gruppen am Nachmittag vor die Fernsehkameras trat. Einheiten der amerikanischen Militärpolizei hatten das Denkmal des Nationalhelden Toussaint Louverture, einen geschichts- und symbolträchtigen Ort im Zentrum von Port-au-Prince, mit Nato-Stacheldraht weiträumig abgesperrt, so daß die etwa 2.000 versammelten Pro-Aristide-Demonstranten keine Chance hatten, Haitis meistgehaßten Politiker mit Schimpfworten oder Steinen zu bewerfen.

Constant ist als Showman bekannt, der geschickt auf der Klaviatur der Medien zu spielen versteht – wie stets kam er eine Stunde zu spät –, dennoch aber wurde diesmal damit gerechnet, er werde seinen Rücktritt oder seine Ausreise in die Dominikanische Republik bekanntgeben. Seinen politischen Kredit, falls er jemals welchen besaß, hat der in Kanada aufgewachsene Sohn eines haitianischen Generals spätestens dann verspielt, als er Atomwaffen für Haiti forderte und ankündigte, er werde die US-Marines mit Zombie-Gift bekämpfen, das aus den Knochen von Aids-Toten destilliert worden sei.

Aber der FRAPH-Chef hatte diesmal weder Schimpftiraden noch seinen Rücktritt anzubieten. In grenzenlosem Zynismus rief er seine Anhänger dazu auf, ihre Waffen niederzulegen, bekannte sich zu Frieden, Eintracht und Demokratie und bezeichnete Aristide als legitimen Staatschef Haitis, gegen dessen Rückkehr nach Haiti er nicht das Geringste einzuwenden habe; in Zukunft, so Constant, wolle er in konstruktiver Opposition mit der Regierung zusammenarbeiten.

So recht glauben mochten dem FRAPH-Chef jedoch weder die Demonstranten noch Präsident Aristide. Beide forderten, Constant zu inhaftieren und vor Gericht zu stellen.

Nachdem der berüchtigte Polizeichef Michel François sich am Dienstag ins dominikanische Exil abgesetzt hatte, forderten unterdessen US-Sprecher auch die beiden anderen Mitglieder der Putschisten-Troika, die Generäle Cédras und Biamby, auf, das Land zu verlassen.

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