Volle Sozialhilfe nur mit Billigjob?

Wolfgang Schäuble, Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, will das Sozialhilfesystem umbauen: „Mehr Eigenverantwortung des einzelnen, weniger soziale Hängematte“  ■ Von Barbara Dribbusch

Berlin (taz) – Die CDU will den Anspruch auf Sozialhilfe künftig genauer prüfen lassen. „Wir müssen sicherstellen, daß Sozialleistungen den wirklich Bedürftigen zugute kommen“, sagte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Schäuble, der Bild-Zeitung. Schäuble plädiert für „mehr Eigenverantwortung des einzelnen, weniger soziale Hängematte“.

„Bisher gibt es zuwenig Anreize für Sozialhilfeempfänger, wieder eine Arbeit aufzunehmen“, meint Schäuble, „das wollen wir in der nächsten Legislaturperiode ändern. Wer eine geringbezahlte Arbeit aufnimmt, soll trotzdem noch Anspruch auf Sozialhilfe haben. Wer nicht arbeiten will, bekommt weniger Sozialhilfe“. Nur durch einen Umbau des Sozialsystems könne man es auf Dauer erhalten.

Schon zuvor hatten Unionspolitiker dafür plädiert, arbeitsunwilligen Sozialhilfeempfängern die Leistung zu kürzen. Bereits heute können die Sozialämter nach den geltenden Bestimmungen die Sozialhilfe kürzen, wenn ihre Kunden eine angebotene Arbeit ablehnen. Das Problem: In den meisten Kommunen gibt es gar nicht genug Job-Angebote, um die Arbeitswilligkeit der Arbeitslosen wirklich testen zu können.

Im Berliner Bezirk Kreuzberg beispielsweise ist die Nachfrage nach den Stellen im Programm „Hilfe zur Arbeit“ sehr viel höher als das Angebot. 150 Leute stehen hier auf der Warteliste. 250 Stellen sind im Programm. Diese Jobs sind sozialversicherungspflichtig und werden tariflich bezahlt.

Anders sieht es bei den umstrittenen gemeinnützigen Tätigkeiten zu drei Mark die Stunde aus, die oft als „Probelauf“ für die besser bezahlten Jobs angeboten werden. Aber auch hier gebe es „eine große Nachfrage“, so die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge- Reyer (SPD). Der Clou: Der Verdienst in diesen Billigjobs wird nicht auf die Sozialhilfe angerechnet.

Die Union will in Zukunft mit verbesserten Anrechnungsmethoden für selbstverdientes Einkommen auch die Schwarzarbeit verringern. Nach Aussage von Familienministerin Hannelore Rönsch (CDU) können Sozialhilfeempfänger bislang nur ein selbstverdientes Einkommen bis zu einer Höhe von hundertdreißig Mark ohne Minderung der Sozialhilfe behalten. Bis zu einem Einkommen von netto etwa tausend Mark erhöht sich diese Summe auf zweihundertsechzig Mark. Jedes darüberliegende Einkommen wird voll auf die Sozialhilfe angerechnet.Kommentar Seite 10