: Schneesichere, gute Höhenlage
Schneevergnügen mit Bobfahren im Thüringer Wald: die Wintersportdomäne Oberhof ■ Von Christel Burghoff
Nichts erinnert im Thüringer Wald stärker an das Leistungssportdenken zu DDR-Zeiten als das Panorama-Hotel in Oberhof: Wie Riesenschanzen ragen die beiden Betonkomplexe des ehemaligen Interhotels aus dem Hochwald. Schaurig-schöne Relikte realsozialistischer Baukunst. Im Thüringer Wald wurden einst DDR-Träume wahr. Aus Oberhof – einem leicht mondänen Kurort zu Kaiserszeiten – wurde das „sozialistische Zentrum der aktiven Erholung und des Wintersports der DDR mit internationaler Bedeutung“. Der Aufschwung begann 1969 – per Beschluß des ZK der SED. Teure und moderne Anlagen entstanden (unter anderem die weltweit größte Mattenschanze), Rollski-Übungsstrecken, Rennrodel- und Bobbahn, Biathlonstadion samt Schießstand. Ein Sportzentrum ersten Ranges. Hier wurde und wird für Olympia trainiert. Am internatoionalen Image des Ortes kratzten im Oktober 1993 Jugendliche, als sie im benachbarten Suhl eine farbigen Bobfahrer der amerikanischen Mannschaft attakierten.
Heutzutage können als Gag auch Touristen in Begleitung von Rennrodlern die Bahn benutzen. Die Sportbegeisterten kommen zahlreich, vor allem wenn internationale Schanzenspringen und Wettbewerbe stattfinden. Oberhof will jetzt weiter in die touristische Zukunft investieren: Im Ort werden Rennsteig-Thermen gebaut. Ab 1996 soll es dann in Saunen, Bädern und auf Sonnenbänken die moderne Tiefenentspannung für müde Skiläuferknochen geben.
Oberhof war und ist das Wintersportzentrum auf dem Rennsteig. Etwa 800 Meter hoch gelegen, nennt es sich auch „Dachgarten des Thüringer Waldes“. Wem dieser sogenannte Garten zu bombastisch betoniert ist, der findet entlang des Rennsteiges die andere geläufige Mischung aus Winterträumen und Schneevergnügen: aufs schönste verschneite Wälder, bequeme Loipen. Der Rennsteig, das ist Deutschlands berühmtester Gratweg. Von der Werra bis zur Saale führt er über die Höhen des Thüringer Waldes. Auf mindestens 130 Kilometern (Gesamtlänge 170 Kilometer) erreicht er 700 bis 1.000 Höhenmeter. Das Klima ist rauh; im Winter ist der Schnee sicher. Milde weiße Schneepracht bedeckt dann auch die geschädigten Bäume (denn auch im Thüringer Wald haben die Fichten längst Nadeln gelassen). Auf den Wanderwegen ist Skilanglauf angesagt – quasi die naturwüchsige Ergänzung zum sommerlichen Wandern.
Die zahlreichen Gemeinden, die den Rennsteig säumen, haben sich auf lauffreudige Mittelgebirgsfans eingestellt. Loipen wurden angelegt und Gasthäuser neu hergerichtet. Zur „neuen“ Gastlichkeit gehören Wochenendpackages – inklusive Skiverleih, Skikurse, Skiwanderungen. Brotterode zum Beispiel, eine Gemeinde nahe dem Großen Inselsberg, bietet neben einer der vielen steilen Abfahrten Extras wie Nachtrodeln und Schlittenhundrennen. Die beliebtesten Gebiete liegen auf dem östlichen Rennsteig zwischen Oberhof und Neuhaus. Es sind viele kleine Gemeinden wie Schmiedefeld, Frauenwald, Neustadt, Masserberg, Lauscha, die bereits eine lange Wintersporttradition haben und nun in Konkurrenz zu anderen gestandenen Wintersportgebieten wie Harz oder Rothaargebirge gegangen sind. Nach drei Jahren stetem Aufwärtstrend glauben die Fremdenverkehrsstrategen an eine gesicherte touristische Zukunft. Einige Orte wie Neuhaus liegen im Thüringer Schiefergebirge. Dies hat sich in der traditionellen Bauweise niedergeschlagen: Viele Häuser sind mit schwarzen Schieferschindeln gedeckt und verkleidet. Kleiner bunter Glasnippes wird den Touristen angeboten. Ein wenig Weihnachtsatmosphäre herrscht im Thüringer Schiefergebirge das ganze Jahr über. Mit den Worten der Prospektdichter, „Thüringer Kunst und Handwerk hautnah“.
Große Neuerungen werden von Umweltengagierten nicht gewünscht. Ganz im Gegenteil: Im Naturparkamt fürchtet man vor allem Großprojekte wie die gplante Autobahn Erfurt–Suhl und eine ICE-Trasse Erfurt–Nürnberg. Sie werden durch Deutschlands drittgrößten Naturpark führen und das riesige Waldgebiet in einigen Jahren zweifach zerschneiden. Vor Ort wird vielmehr versucht, den Tourismus „naturverträglich“ zu lenken. Am liebsten hätte man mobile Aufstiegshilfen anstatt der vielen Lifte, die jetzt beantragt sind. Denn diese könnten im Sommer wieder abgebaut werden. Biotope sollen sichergestellt und von Loipen freigehalten werden. Vom Arbeitskreis Skisport und Umwelt im deutschen Skiverband wurde ein Modellprojekt in Neuhaus in die Wege geleitet, das jetzt ein Loipennetz außerhalb der Naturschutzgebiete erarbeitet. Ein Handikap für den Thüringer Wald wird die Pkw-Leidenschaft bleiben. Leider, leider, so ein Mitarbeiter des Skiprojektes, „wird hier Freiheit immer noch mit Auto gleichgesetzt“. Natürlich ist niemand gezwungen, die Wintersportgebiete mit dem Auto anzusteuern, sie sind genauso gut per Zug (von Erfurt aus) beziehungsweise per Bus (zum Beispiel Oberhof–Masserberg) zu erreichen. Christel Burghoff
Informationen geben unter anderem die Fremdenverkehrsbüros Oberhof, Tel.: 036842/5143, Brotterode: 036840/2215, Neuhaus: 036704/500; Schneetelefon Oberhof: 036842/20915
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