: Martin Niemöller und Georg Elser fehlen
■ Veränderung der Dachauer KZ-Gedenkstätte gefordert
In Bayern gehen die Uhren anders, so ein häufig zitiertes Bonmot – und in Bayern wird offenbar auch Demokratie anders verstanden: So wird selbst ein Landtagsbeschluß nicht umgesetzt, wenn die Ministerialbürokratie nicht will. Vor rund fünf Jahren hatte der bayerische Landtag einstimmig zwei Planstellen für die Dachauer KZ-Gedenkstätte zur Verbesserung der pädagogischen Betreuung jugendlicher Besucher beschlossen. Und darüber hinaus den Bau eines Jugendgästehauses. Heute gibt es weder eine solche Jugendbegegnungsstätte, noch sind die zwei beschlossenen Planstellen realisiert.
1993 wurde umgerechnet jeder Museumsbesucher in Bayern mit rund 55 Mark aus dem Geldbeutel des Kultusministeriums subventioniert, ein Besucher des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau mit lediglich drei Mark – sagt der Arbeitskreis „Dachauer Forum“. Aus Ärger über derlei Zustände erarbeitete er eine Dokumentation mit Verbesserungsvorschlägen. Die Gruppe, der überwiegend ehrenamtliche Betreuer von Besuchergruppen der Gedenkstätte angehören, kritisiert die mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung der Gedenkstätte, die in keiner Relation zu den Besucherzahlen stehe. 1993 wollten rund 500.000 Menschen das ehemalige Konzentrationslager sehen. Drei Vollzeitkräfte in Archiv und Verwaltung sowie 109 Lehrerstunden für Schülerführungen stehen dafür zur Verfügung.
Die Ausstellung in der Gedenkstätte wurde seit der Gründung – 1965 war dies die erste Gedenkstätte der Bundesrepublik – nicht verändert. Obwohl dies dringend notwendig sei, so der Arbeitskreis. Neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und neue Quellen seien nicht eingearbeitet, und die Fragen der überwiegend Jugendlichen Besucher hätten sich geändert. Der Widerstand im Lager sei nicht dargestellt, kritisiert Anna Andlauer, Mitautorin der Dokumentation. „Man erfährt nirgendwo im ehemaligen Gefängnis, daß Martin Niemöller oder Georg Elser dort inhaftiert waren“, erregt sich die Gymnasiallehrerin, „dabei ist es gerade für Schüler wichtig zu sehen, daß es auch Widerstand unter den Häftlingen gab“. Derzeit seien die Häftlinge überwiegend auf SS- Bildern als graue Opfermasse dargestellt.
Manfred Heger, zuständiger Ministerialrat im bayerischen Kultusministerium, sieht die Sache gelassen. „Im letzten halben Jahr waren wir säumig“, sagt er, aber die Historikerkommission werde demnächst eingesetzt. Die nicht besetzten Planstellen sieht auch er als „Defizit“. Aber: „Wir haben nie gesagt, daß wir das sofort verwirklichen wollen.“ Corinna Emundts
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