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Atomkonzern für ein bißchen Ausstieg

Die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke ziehen ihren Antrag für den Bau eines dritten Reaktors in Biblis zurück / Joschka Fischers Nachfolger fordert Energiekonsens  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Einen besseren Einstand hätte sich der neue hessische Minister für Umwelt und Energie, Rupert von Plottnitz (Bündnis 90/Die Grünen), nicht wünschen können. Am Samstag, zwei Tage nach seinem Amtsantritt, flatterte dem Nachfolger von Joschka Fischer ein Schreiben der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) auf den Tisch, in dem der Energiekonzern die Rücknahme seines im Oktober 1980 gestellten Antrags auf Genehmigung von einem dritten Block für das Atomkraftwerk Biblis erklärt.

Damit kann das Thema „Biblis C“ in Hessen – nach fast exakt vierzehn Jahren – endgültig zu den Akten gelegt werden. Anlaß für die Erklärung der RWE war offenbar die Ankündigung von Ex-Umweltminister Joschka Fischer vom 30. September 1994, den Genehmigungsantrag aus dem Jahre 1980 ablehnen zu wollen.

Fischer hatte den RWE eine „Erklärungsfrist“ bis zum 23. Oktober 1994 eingeräumt – und damit seinem Nachfolger den Vollzug seiner Ankündigung überlassen. Mit dem Ablehnungsbescheid, ließ Fischer süffisant in seine letzte Pressemitteilung schreiben, würden dann auch Verwaltungskosten in Höhe von „mehreren Millionen Mark“ fällig. Die Absicht, den Antrag der Atomstromer abzulehnen, hatte das Minsiterium mit dem inzwischen weiterentwickelten Stand von Wissenschaft und Technik begründet. Zudem sei die Entsorgung eines weiteren Atomkraftwerkes nicht gesichert und der Bau aus Gründen der Stromversorgung nicht notwendig.

Noch konnte im hessischen Umweltministerium die Frage nicht abschließend geklärt werden, ob sich die RWE mit der „Selbstzurücknahme“ des Genehmigungsantrags die vollständigen Kosten für einen behördlichen Ablehnungsbescheid von immerhin 5,25 Millionen Mark „erspart“ hat – oder eher nicht. Allerdings hatten die RWE schon 1984 gebeten, das Genehmigungsverfahren ruhen zu lassen. Politisch war der Block C in Biblis seit 1984 nicht mehr durchsetzbar. Der Neubau war rote Verhandlungsmasse bei den rot-grünen Tolerierungsgesprächen geworden. Und bei der Installation der ersten rot-grünen Koalition im Jahre 1985 wurde der Verzicht auf den dritten Reaktor in Biblis Gegenstand der Koalitionsvertrages. Daß die RWE auch während der CDU/FDP-Regierungsphase von 1987 bis 1991 nicht auf einer Bearbeitung ihres Antrags bestand, galt unter Kennern schon damals als faktische Verzichtserklärung.

Der neue hessische Umweltminister Rupert von Plottnitz begrüßte die Entscheidung der RWE umgehend und wertete sie als Bestätigung dafür, „daß auch die RWE erkannt haben, daß die Atomtechnologie keine Zukunft mehr hat“.

Und ganz im ministerialen Stil eines Gerhard Schröder mahnt von Plottnitz den Konzern, der „offenbar verunsichert“ sei: „Was wir brauchen, ist ein neuer gesellschaftlicher Konsens über die Zukunft der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik.“

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