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Des wackeren Wackeners Kampf ums Wasser

■ Weil ein Wasserwerk zuviel fördert, verdirbt zahlreichen Landwirten die Ernte Von Marco Carini

Hans Möller sitzt auf dem Trockenen. Seit das nördlich von Itzehoe gelegene Wasserwerk Wacken das Grundwasser anzapft, gedeihen die Zuckerrüben und der Mais des 53jährigen Landwirts nicht mehr. Die Folge: Die Ernte fällt um rund ein Viertel geringer aus als früher.

Doch die Wasserwerke bestritten bislang jede Schuld und verweigerten dem Wackener Bauern eine angemessene Entschädigung für den Ernteausfall. Das könnte sich bald ändern. Denn ein vom Itzehoer Landgericht in Auftrag gegebenes Gutachten belegt eindeutig, daß die Wackener Wasserförderung die Schuld an den Ernteeinbußen trägt.

Bereits seit 1977 pumpt das Wasserwerk jährlich ein paar Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem Erdreich. Hauptabnehmer ist die in Brunsbüttel beheimatete Industrie. Schon kurz nach Förderbeginn bemerkten die AnliegerInnen Veränderungen des Wasserhaushaltes. Quellen versiegten, Pflanzen vertrockneten, Privatbrunnen förderten keinen Tropfen mehr zutage. Mehr als 60 Landwirte und BetreiberInnen von Hausbrunnen meldeten daraufhin Schadenersatzansprüche an. 1985 erhielten zwölf Landwirte in einem außergerichtlichen Vergleich Abfindungen zugesprochen, die weit unter den von ihnen geforderten Summen lagen – unter der Voraussetzung, daß sie auf weitere Forderungen verzichteten.

Hans Möller aber akzeptierte den ihm angebotenen „lächerlichen Betrag“ von 2450 Mark nicht. Denn nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer hatte der Wassermangel die Wackener Bauern allein zwischen 1978 und 1985 um 118.000 Mark gebracht. Der wackere Wackener zog deshalb vor das Itzehoer Landgericht. Um zu untermauern, daß das Wasserwerk für seine Minus-Ernten verantwortlich ist, ließ der Bauer von der Hamburger Umweltschutzgruppe Physik/Geowissenschaften umfangreiche Grundwassermessungen auf seinen Feldern durchführen. Thomas Kleineidam, Geowissenschaftler der Gruppe: „Wir haben damit die von den Wasserwerksbetreibern aufgestellte Behauptung widerlegt, daß die Absenkungen nur durch Entwässeungssysteme verursacht wurden“.

Das Gericht schaltete daraufhin den Berliner Bodenkunde-Professor Manfred Renger als Obergutachter ein. Der gab jetzt in seiner im September fertiggestellten Analyse der Hamburger Umweltschutzgruppe und dem Bauern recht. Thomas Kleineidam sieht „alle wesentlichen Aussagen unserer Studie bestätigt“: „Das Renger-Gutachten kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, daß das Wasserwerk erhebliche Absenkungen des oberflächennahen Grundwassers bewirkt. Diese Absenkungen haben laut Gutachter eine schlechtere Wasserversorgung der Nutzpflanzen und erhebliche Ertragseinbußen zur Folge“.

Der Gegenseite hat die Expertise hingegen offenbar die Sprache verschlagen. Dietmar Ackermann jedenfalls, stellvertretender Geschäftführer der Betreibergesellschaft, „möchte zu einem laufenden Verfahren keinen öffentlichen Kommentar“ abgeben. Auch nach dem für Anfang kommenden Jahres erwarteten Richterspruch dürfte Ackermann um Worte ringen. Denn Thomas Kleineidam ist sicher: „Die Hausbesitzer im Fördergebiet, die über Gebäuderisse als Folge der Grundwasserabsenkung klagen, haben nun neue gewichtige Argumente für ihre Schadensersatzforderungen“.

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