: Sammellager auch in Schröder-Land
■ Wende zur Abschreckung in der Flüchtlingspolitik: Unterbringung in zentralen Sammellagern wird auch in Niedersachsen zur Regel / Grüne kritisieren Kürzung von 30 Sozialarbeiterstellen in Modellprojekt
Hannover (taz) – Auch in Niedersachsen soll jetzt für Flüchtlinge die zentrale Unterbringung in Sammellagern zur Regel werden. Von „einer dramatischen Wende in der niedersächsischen Flüchtlingspolitik“ sprachen gestern die niedersächsischen Landtagsgrünen, die seit nunmehr drei Monaten in Hannover nicht mehr mitregieren. Im Eiltempo habe die SPD- Alleinregierung nicht nur bei der Unterbringung von Flüchtlingen die Wende zur bundeseinheitlichen Abschreckung vollzogen, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Heidi Lippmann-Kasten.
So würden die Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, die sogenannten „Zentralen Anlaufstellen“ (Zast) von der SPD-Regierung nunmehr in dauerhafte Sammellager umfunktioniert. Ein Erlaß des Innenministeriums sehe vor, daß künftig alle Flüchtlinge, deren Asylantrag wenig Aussicht auf Erfolg habe, während des gesamten Asylverfahrens in den Großunterkünften bleiben sollen. Außerdem plane das Innenministerium, die Verträge über die kleinen dezentralen Flüchtlingsunterkünfte nach und nach zu kündigen.
Lippmann-Kasten verwies gestern außerdem darauf, daß das Land beim bundesweit einmaligen „Modellprojekt zur dezentralen Flüchtlingssozialarbeit“ 30 der gut 90 Sozialarbeiterstellen streichen will. Die Vorgaben des Asylbewerberleistunggesetzes, nach dem Flüchtlinge für ihren Lebensunterhalt statt Bargeld Naturalien erhalten, setzt Niedersachsen inzwischen zügiger um. Erstmals hat das Innenministerium jetzt einem Landkreis die Umstellung auf Sachleistung regelrecht von oben verordnet.
Auch die niedersächsischen Ausländerbehörden nutzen nach Ansicht der Grünen inzwischen nicht mehr die geringen Spielräume, die ihnen zugunsten der Flüchtlinge noch verblieben sind. So verweigern sie etwa den 20.000 Flüchtlingen, denen die rot-grüne Landesregierung ein dauerndes Bleiberecht gewährt hatte, das Recht auf Familienzusammenführung. Entsprechende Anträge würden inzwischen mit der Begründung abgelehnt, eine Familienzusammenführung sei auch im Heimatland möglich. Damit werde die von Rot-Grün beschlossene Bleiberechtsregelung unterlaufen.
„Inzwischen liegt die niedersächsische Flüchtlingspolitik rechts vom sozialdemokratischen Durchschnitt“, sagte die Grünen- Abgeordnete und forderte die niedersächsische SPD-Alleinregierung auf, endlich eine Bundesratsinitiative des SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping mitzutragen.
Die Bundesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz sieht ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge mit minderjährigen Kindern vor, die seit mindestens vier Jahren in der Bundesrepublik leben. ü.o.
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