: Spuckender Strom
■ Kampnagel: Performance-Künstler interpretieren das Programm-Motto „MaschinenStürme“ mit Installationen
Vier Künstler-Performer aus Canada und den USA geben von heute an ihren speziellen Kommentar zum Kampnagel-Überthema-des-Monats MaschinenStürme. Das spektakulärste Projekt der Installations-Performances ist das schlicht Hochspannungsmast genannte Multimedia-Instrument von Barry Schwartz. Umgeben von Kameras, Bildschirmen, einem überdimensionalen Metallplattenspieler, Springbrunnen und Wasserfällen spielt der energiegeladene Amerikaner auf den vom neun Meter hohen Mast herabgespannten, unter Hochspannung stehenden Klaviersaiten. Strom, sichtbar und unsichtbar fließend, dienend in Maschinen und wütend sich entladend ist Hauptbestandteil dieser hydro-elektrischen Klangharfe. Dabei ist das titanische Auftreten des Künstlers nur der vordergründige Teil der Performance, für die Sicherheit des Musikers ist gesorgt, denn es geht Barry Schwartz zwar um die Grenzen der Kunst, aber nicht um Selbstmordversuche.
Ist es beim Hochspannungsmast keineswegs ratsam, in allzu große Nähe der Installation zu kommen, ist dies bei den Tales from the Chopping Cart ausdrücklich erwünscht. Schon mit dem Titel spielt Barney W. Haynes aus San Francisco mit den Realitätsebenen: shopping = Einkaufen wird zu chopping = zerhacken. Die Installation mit amerikanischem Original-Abfall und Kampnagel-Fundstücken soll mit einem Einkaufswagen erwandert werden, in dem ein Monitor montiert ist, dessen Filmstücke auf alle Bewegungen des Nutzers reagieren. Zudem können durch Ablesen der Warenstrichkodes an Objektstationen andere Filme aufgerufen werden. Dies ist im Gegensatz zu den pseudo-interaktiven Kommerz-Spielen eine wirkliche interaktive Videonutzung.
Den Fernseher als Guckkasten hat die Kanadierin Laura Kikauka bereits abgeschrieben. Zu Gast in Berlin faszinierte die geschulte Elektronikerin die Technik der alten DDR-Maschinen, die oft noch voll funktionstüchtig in den Schuttcontainern des „Aufbau Ost“ landen. Mit kleinen Weitwinkel-“Guckis“ ermöglicht sie den Einblick in Kästen, in denen ein aus dem Ostschrott selbstgebautes elektromechanisches Theater abläuft. Diese werden als „mechanische Peep-Shows“ bezeichnet, da sie in ihrem sinnlosen Funktionieren mit einer ganz schrägen Erotik aufgeladen sind. Die Künstlerin agiert zudem life in einem lebensgroßen Kasten, um die Unterschiede zwischen den Realitätsebenen noch verstärkend zu verwischen.
Eher Physiker-Musiker ist Gordon Monahan. Er spielt in Fluxus-Tradition das präparierte Piano und erzeugt mit Oszillatoren und Sinusgeneratoren der fünfziger Jahre Schwingungen, die zu einem neuartigen Klangeindruck dadurch werden, daß drei Performer die Lautsprecher mit großem Körpereinsatz an drei Meter langen Seilen durch den Raum schwingen.
Hajo Schiff
Heute Vernissage Laura Kikauka, morgen Haynes und Kikauka, Freitag und Samstag und am 19.10. Schwartz/Haynes/Kikauka, 20. und 21.10. Monahan und Kikauka (jeweils 21 Uhr). Performance Abschluß-Party am 22.10., 22 Uhr
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