piwik no script img

Heroin zwischen den Kirschbäumen

■ Im Alten Land werden nicht nur Rauschgifte gehortet, sondern auch Millionen gewaschen

Das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Deutschlands, das Alte Land bei Hamburg, entwickelt sich nach Angaben der Kriminalpolizei zu einem bedeutenden Umschlagplatz für Rauschgift und Drogengelder. Ermittler wollen festgestellt haben, daß zwischen Ende 1990 und Mai 1994 Drogengelder von mehr als zehn Millionen Mark aus dem Alten Land ins Ausland überwiesen worden seien. Denn Drogenhändler mißbrauchten das Obstparadies nicht nur als Zwischenlager für Rauschgift, sondern auch für die Geldwäsche. Eine zentrale Rolle spielen nach Erkenntnissen der Polizei dabei die Erntehelfer.

„Eine derartige Massierung ist landesweit einmalig und eindeutig auf die Nähe der Rauschgiftbrennpunkte Hamburg und Bremen zurückzuführen“, meint der Lübecker Kriminalrat Robert Kruse, Experte für organisierte Kriminalität. Seit 1989 habe die Polizei Anhaltspunkte dafür, daß im Alten Land Rauschgift, vor allem Heroin, gebunkert werde, bevor es auf den Hamburger Drogenmarkt komme. Der Stoff lasse sich in den schwer zugänglichen Obstplantagen leichter verstecken als in der Großstadt. Hier fühlten sich die zumeist aus St. Georg heraus agierenden Dealer offenbar sicher vor der Polizei. Inzwischen habe die „Drogenmafia“ auch ihre Geldtransaktionen in die Elbmarsch zwischen Hamburg und Stade verlagert.

Im Alten Land läuft der Geldaustausch nach Polizeiangaben vor allem über die vielen kleineren Filialen der Banken, Sparkassen und Postämter. Innerhalb von dreieinhalb Jahren seien über diese Geldinstitute mehr als 2200 Überweisungen, vorwiegend in die osttürkischen Städte Palu, Elazig und Bingöl getätigt worden. Bisher reichten die Ermittlungsergebnisse der Polizei nur für eine interne Statistik, nicht aber für Festnahmen.

Aufgrund des Geldwäschegesetzes müssen Geldinstitute Bargeld-Einzahlungen ab 20.000 Mark zwar stoppen und der Polizei melden, doch die Beamten haben nur 48 Stunden Zeit, um nachzuweisen, daß das Geld tatsächlich aus dem Drogenhandel stammt.

„In keinem einzigen Fall konnten wir bislang Geld beschlagnahmen“, erklärte Kruse. Die Staatsanwaltschaft hat nach seinen Worten allein in diesem Jahr 87 Ermittlungsverfahren wegen verdächtiger Geldtransaktionen eingeleitet, doch bisher wurde noch keine Anklage erhoben.

„Wenn die Ermittlungen nicht länger ins Leere laufen sollen, dann brauchen wir eine Umkehr der Beweislast“, argumentieren übereinstimmend Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. „Der Verdächtige muß beweisen, woher das Geld stammt. Sonst werden wir den Kampf gegen die Drogenmafia nie gewinnen“, sagt Jürgen Willner, Kripo-Chef der Bezirksregierung Lüneburg.

Auch bei der Fahndung nach den Rauschgift-Verstecken im Alten Land steht die Polizei noch am Anfang. Zwar wurden in den letzten Jahren bei Razzien immer wieder größere Drogenmengen gefunden, aber das sei nur die Spitze des Eisbergs. Mindestens zwei Tonnen Heroin, so haben Kriminalbeamte hochgerechnet, müssen seit Ende 1990 in den Altländer Obstplantagen deponiert worden sein.

lno

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen