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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Lange hat er gedauert, der südafrikanische Winter. So ungefähr 350 Jährchen. Jetzt schmelzen die Gletscher. In einer der letzten Eisnächte muß auch Julia le Roux den Frühling gerochen haben. Sie setzte sich an ihren Sekretär und formulierte unter Tränen einen Rundbrief. Den allerletzten newsletter des Suider-Afrikaanse Forum (SAF). „End of an Era“ prangt unter dem goldenen Signet. Das SAF, gegründet 1980, habe sich in den „schwierigen Zeiten“ um das Land verdient gemacht. Damals, als alle Welt das Apartheidregime ächtete, warb es nämlich heftig um Vertrauen und Investoren. Dem deutschen und britischen Kapital schenkten die „ausgewogenen und wahrheitgetreuen“ Informationen soviel Konfidenz, daß es zuhauf kam. „Das Forum hielt das Potential des Landes über Wasser“, schreibt Missis Le Roux, die SAF-Direktorin. Und nebenher, quasi unter Wasser, konnte munter verfolgt, eingesperrt, gefoltert und gemordet werden. Außerdem: „Die engen Kontakte zu Geschäftsleuten, die mit unserer Hilfe geknüpft wurden, können nun für künftige Joint-ventures genutzt werden.“ Wir halten ausgewogen fest: Das SAF hat in all den „schwierigen Jahren“ großartige Aufbauhilfe geleistet, ja den Weg ins neue Südafrika gepflastert. Aber ach, Undank ist der Weißen Lohn! Denn niemand mehr braucht Madame Le Roux und ihren PR-Verein. „Ja, es ist traurig, das Forum ist am Ende einer Epoche angelangt“, weint sie im finalen Rundbrief. Wir wollen ihr an dieser Stelle zum bewegendsten Abschied der Epoche gratulieren – so schön hat am Kap noch nie ein Schwan gesungen. Von anderen Werbeabteilungen hört man leider gar nichts mehr. Zum Beispiel von der Suid-Afrikaanse Ambassade, Auf der Hostert 3, Bonn. Früher war der Botschafter, Seine Exzellenz A. E. Van Niekerk, oft „sehr bestürzt“ über unsere Artikel. Er schrieb natürlich nicht an uns, sondern an die Herausgeberin. Und beauftragte Herrn Pieter Coetzee, seinen Propagandasekretär, einen Leserbrief an den Schriftleiter, pardon: Chefredakteur, zu schicken, um unsere bösartigen Behauptungen richtigzustellen. Ausrottung der Ureinwohner? Rassensegregation? Rechtsradikale Polizisten? Benachteiligung der Schwarzen in den Schulen? Alles falsch, alles einseitig. Heute, da unsere Unwahrheiten in den neuen Geschichtsbüchern stehen, sind die Herren stille. Schade. Wir würden gerne noch einmal über die „schwierigen Zeiten“ debattieren. Unser Vorschlag für die Gesprächsrunde: 1 Vertreter der Hanns-Seidel-Stiftung, die immer ein Herz für die Apartheid hatte; Seine Ex-Exzellenz A. E. Van Niekerk; 300 Vertreter der deutschen Wirtschaft; 1 vernünftiger Schwarzer. Aus den Gefängnis bitten wir Polizeioberst Eugene de Kok hinzu, der vermutlich ein paar Zeitgenossen mit der falschen Hautfarbe erfolgreich zu Tode gequält hat. Die Veranstaltung findet in den Slums von Khayelitsha statt, laut Pieter Coetzee „ein neues Wohngebiet bei Kapstadt mit einer sehr guten, modernen Infrastruktur“. Die Diskussionsleitung übernimmt ... Na, wer? Natürlich Missis Julia Le Roux. Da stimmt dann auch die Frauenquote, und die Direktorin kann das Ereignis im newsletter schildern. Julia, der Lenz ist da! Schenk uns noch einen Rundbrief, einen allerallerletzten!

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