: Einzelkampf und Medienkrampf
■ Streiten kann sie, allein das Taktieren fällt ihr noch schwer. Christina Schenk will am Sonntag erneut in den Bundestag einziehen – diesmal mit PDS-Ticket
Der SED hat Christina Schenk 1982 ihr Parteibuch auf den Tisch geknallt. Vorausgegangen war ein Streit zwischen der damaligen Physikstudentin und einem linientreuen Genossen. Das gab Ärger. Öffentliche Meinungsverschiedenheiten gehörten nicht zum Verhaltenskodex der Partei. Das Eintreten für das Streikrecht in Polen schon gar nicht. Schenk zog ihre Konsequenzen – und ist bis heute in keine Partei mehr eingetreten.
Politik machte sie trotzdem, ab 1990 als Bundestagsabgeordnete des Unabhängigen Frauenverbands (UFV) für Bündnis 90/ Die Grünen. Und wieder gab es Ärger. Schenk eckte schnell mit den anderen grünen Abgeordneten an. Sie galt als zu sperrig, manche ihrer Forderungen – wie die nach ersatzloser Streichung der Paragraphen 218 und 175 – als zu radikal und unrealistisch. Daß sie den ihr angetragenen Bereich der Sozialpolitik nicht übernehmen wollte, brachte ihr zusätzliche Kritik ein. Sichtlich schwer tat sich Schenk auch mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Geschäft der Selbstvermarktung und dem Werben für eigene Ideen. Die Gesetzmäßigkeiten der Medienpräsenz, so gibt sie zu, durchschaue sie bis heute nicht so ganz. Sehr viel besser klappte ihre Zusammenarbeit mit der frauenpolitischen Basis. Als Gründungsmitglied des UFV fühlt sie sich dort nach wie vor politisch zu Hause.
Mit den Bündnisgrünen dagegen kam es zum Zerwürfnis. Nach einer Legislaturperiode voller Reibereien wurde Schenk im April ein aussichtsreicher Listenplatz vom Berliner Landesverband verweigert. Der UFV reagierte mit einer wütenden Presseerklärung, in der er den einstigen grünen Verbündeten vorwarf, „linke und feministische Positionen“ zu vernachlässigen.
Daß Schenk diese nun in der PDS in Politik umzusetzen versucht, stößt im UFV nicht auf ungeteilte Freude. Die meisten ihrer Mitstreiterinnen aber, so Schenk, hätten ihr die Wahl überlassen. Jetzt kandidiert die 42jährige für die PDS, auf dem dritten Platz der Landesliste Sachsen. Hat sie keine Angst, dort auf alte Genossen zu stoßen? „Ich glaube“, sagt Schenk, „daß nicht die kommunistische Plattform, sondern die neuen Leute die Politik der PDS bestimmen werden.“ Seitdem sie näher an der PDS dran sei, habe sie mitbekommen, daß dort mehr Vergangenheitsbewältigung stattfinde, als öffentlich werde.
Sollte sie erneut in den Bundestag einziehen, möchte Schenk sich vor allem auf die Wirtschaftspolitik stürzen. Ihr erstes Projekt: Sie will vom Bundestag eine Studie fordern, aus der hervorgeht, inwieweit die diversen Mittel zur Wirtschaftsförderung wirklich Arbeitsplätze schaffen und wie viele von diesen Stellen Frauenarbeitsplätze sind. Ferner möchte sie sich für ein arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz stark machen. „Wir Feministinnen müssen uns stärker in die Bereiche der harten Politik einarbeiten“, so ihr Credo, „denn dort werden die Weichen gestellt.“
Außerdem will die offen lesbische Kandidatin weiterhin für die Einführung der Homo-Ehe mit der gleichzeitigen Abschaffung aller Ehe-Privilegien kämpfen und einen Gesetzentwurf vorlegen, der Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich verfolgbar macht. Und wenn es mit dem Wiedereinzug in den Bundestag nicht klappt? „Macht nichts“, sagt Schenk, „dann still' ich erst mal meinen Hunger nach Theorie und stürz' mich in ein Politik- und Psychologiestudium.“ Sonja Schock
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