: Joschka Fischer, 46
gibt Bob Dylan die Schuld: Er sagt, diese Stimme habe ihn „aus der kleinbürgerlichen Existenz rausgetrieben – so, wie man früher nach Amerika gegangen wäre“. Der Schulabbrecher Fischer kam bis Gretna Green, wo er zum ersten Mal heiratete.
In den 70ern war Joseph Fischer einer der Wortführer der Frankfurter Spontis. Urteilte die Zeitschrift „Natur“: „Er war einmal ein Fuzzi, der am liebsten schwarz mit der U-Bahn fuhr.“
Im Deutschen Herbst 1977 (RAF-Morde an Ponto, Buback, Schleyer; die Toten von Stammheim) vollzog Fischer, der sich selbst als „durch und durch katholisch, ohne zu glauben“ bezeichnet und auch in seiner militantesten Zeit immer Kirchensteuern bezahlt hat, „eine reformistische Kehrtwendung“. Nach einer kurzen „Phase der Einkehr und Beschäftigung mit den inneren Welten“, während der er Fliegenpilze im Wald sammelte („wenn Sie Erleuchtung wollen, müssen Sie Glockendüngerling suchen“), als Filmstatist, Taxifahrer, Buchhändler jobbte, kam Fischer zu den Grünen, für die er 1983 in den Bundestag einzog. Mit Otto Schily wurde er zum Wortführer der Realos.
Auf seinem Weg nach oben hatte sich der „beste Redner des Bundestags (Heinrich Böll) – „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ – auf Mitstreiter verlassen können, die, wie manche sagen, ihm regelrecht hörig waren: „Diese Fischer-Gang war immer da, wenn es um wichtige Abstimmungen ging“ (Verena Krieger).
Getrieben von „Sendungsbewußtsein, Machtgier und Ehrgeiz“ („Stern“), wurde Fischer 1985 der erste grüne Umweltminister, nicht bloß von Hessen, sondern „des ganzen Planeten“ (Fischer). Die Ex-Grüne Jutta Ditfurth findet: „Er vergeudet seine Fähigkeiten, um den falschen Leuten zu gefallen.“
„König Joschka“ („Stern“) rechnet bei der Bundestagswahl mit sechs bis acht Prozent. Allerdings, meint er, könne es auch sein, daß die Grünen den Einzug ins Parlament nicht schaffen. In diesem Fall will Fischer, der auch im Fußball („das ist Urschrei für mich“) immer vorne mitmischt, für ein Weilchen „nachdenken“.
Fischer, am 12. April 1948 in Gerabronn geboren, zweifacher Vater, das dritte Mal verheiratet, ist durch den Tod seines Vaters geprägt: „Er hat sich zu Tode geschuftet. Ich mußte seine Metzgerklamotten mit nach Hause nehmen. Das war alles, was er hinterlassen hat. Da habe ich mir gesagt: So ein Leben, immer ackern, nie was verdienen – nein, so nicht. Das kommt mir immer hoch, wenn ich höre ,Leistung‘.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen