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Drogenberater geben Entwarnung

■ Weniger Abhängige, mehr Beratung und Therapie: Jahresbilanz der offiziellen Drogenhilfe

Rundum zufrieden präsentierten die LeiterInnen der offiziellen Bremer Drogenberatung gestern ihren Jahresbericht 93/94. Die Zahl der Drogenabhängigen sei in Bremen – wie im Bundestrend – leicht gesunken. Bei den unter 20jährigen sei die Abhängigenzahl sogar „deutlich rückläufig“. Und für den Bedarf an medizinischer und sozialer Soforthilfe und Beratung stünden ausreichend Mittel und Personal zur Verfügung. „Trotz der Dezentralisierung unserer Angebote auf fünf Beratungsstellen in den Stadtteilen ist die Zahl der Beratungen auch 1993 weiter gestiegen“, freute sich Frank Schmidt, Leiter der Behördenabteilung für Drogenberatung.

Auf rund 2.000 schätzen die DrogenberaterInnen die Zahl der BremerInnen, die von harten Drogen abhängig seien. Die Hälfte von ihnen sei 1993 mit mindestens zwei Gesprächen in einer Beratungsstelle erreicht worden. Von den 800 Personen, die zur Zeit in Bremen mit der Ersatzdroge Polamidon „substituiert“ würden, hätten die Beratungsstellen sogar weit mehr als die Hälfte erreicht.

Auch die Vermittlungen in eine Entgiftungsbehandlung oder Therapie seien seit 1988 stetig gestiegen, allein von 1992 auf 1993 um über 15 Prozent. Und 1.600 mal habe die Drogenambulanz im vergangenen Jahr medizinische Hilfe geleistet – oft auch auf offener Straße. All diese Zahlen gehen aus einer Statistik hervor, für die die offiziellen Bremer DrogenberaterInnen akribisch jeden einzelnen Kontakt mit Drogenabhängigen auflisten.

Auch mit der Betreuung der offenen Drogenszene im Steintor zeigten sich die DrogenberaterInnen rundum zufrieden. Zwischen 80 und 90 Prozent der 300 bis 400 Personen in der offenen Szene habe das Kontakt- und Beratungszentrum Bauernstraße 1993 mit seinen Angeboten erreicht. „Drogentouristen“ mit einem Wohnsitz jenseits der Bremer Region seien nicht darunter gewesen.

Neben der medizinischen Soforthilfe gehörten zu den Hilfsangeboten insbesondere die Zustellung von Post, die Vermittlung von Notübernachtungsplätzen, das kostenlose Benutzen der Duschen und einer Waschmaschine, die Kleiderausgabe und der Umtausch gebrauchter in saubere Spritzen. 450 registrierte Abhängige haben zudem Zutritt zum Café in der Bauernstraße, 150 von ihnen kommen durchschnittlich am Tag, 30 bis 40 warme Essen werden ausgegeben.

Gerade dieses Angebot sei besonders wichtig, berichtete die Leiterin der Drobs in der Bauernstraße, Sabine Frieden-Paland. Als der Café-Betrieb im Juli 1993 wegen „Protesten der AnwohnerInnen und anhaltender Kritik des Innensenators“ vorübergehend geschlossen werden mußte, sei auch die Inanspruchnahme der medizinischen Ambulanz auf die Hälfte zurückgegangen. Und gerade der Kontakt zu den „nicht so strukturierten PatientInnen“, das heißt zu Abhängigen, die bereits große Schwierigkeiten haben, ihren Alltag irgendwie zu bewältigen, sei schnell abgerissen.

Aus dieser Erfahrung schließen die Drobs-MitarbeiterInnen, daß ihr umfassendes und besonders niedrigschwelliges Angebot auch dann erhalten bleiben muß, wenn der Standort Bauernstraße aufgegeben wird. Im Tivoli-Hochhaus, wo Bürgerschaft und Sozialsenatorin die Drobs künftig gerne angesiedelt sähen, sei dies gut möglich. Drobs-Leiterin Frieden-Paland: „Mit der Verlagerung würden wir voll im Trend liegen, denn auch die offene Drogenszene breitet sich immer mehr in Richtung Bahnhofsvorstadt aus.“ Der Umzug ins Tivoli-Hochhaus steht am kommenden Dienstag endgültig auf der Tagesordnung des Senats.

Sorgen macht den DrogenberaterInnen die Zunahme von Medikamentenmißbrauch. Während der Heroin-Konsum abnehme, würden immer mehr Abhängige zu Barbituraten, Tranquilizern und Codein greifen, die oft sogar von einzelnen unverantwortlichen Ärzten auf Privatrechnung verschrieben worden seien. Dirk Asendorpf

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