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Triste naht das Ende

■ Nach einem indifferenten 0:0 in Budapest mehren sich Anzeichen, daß der Bundestrainer Vogts vergessen wird

Berlin (taz) – Was, Berti Vogts, soll man nach einem solchen Spiel groß sagen? Vielleicht: „Wir dürfen jetzt nicht nach Entschuldigungen oder Ausreden suchen“? Damit, so sprach der Mann nach einem tristen 0:0 gegen Ungarn im noch tristeren Budapester Nep- Stadion mit üblich-halbbeleidigtem Gesicht, meine er Analysen, wie jene, „der Platz“ sei „zu schlecht“ gewesen oder ähnlich vage Verantwortungsdelegierungen. Nun, nachdem Lothar Matthäus 45 Minuten prima gerannt war, setzte sich der Kapitän auf die Bank, sah und sprach schonungslos offen: „Der Platz war sehr uneben.“ Immerhin: Auch in der Mannschaft hatte Matthäus solche „Unebenheiten“ ausgemacht. „Wir haben vergessen“, so analysierte der aus 119 Länderspielen erfahrene, „schnell zu spielen.“ Auch Gehilfe Kohler sprach davon, „es versäumt zu haben, schneller in die Spitze zu spielen“. Drei vom Lothar persönlich initiierte halb-ansehnliche Aktionen, ansonsten: „Haben wir vergessen, Fußball zu spielen.“ Ist Vogts aufgefallen. Die Frage aller Fragen ist nun natürlich: Woher rührt diese Vergeßlichkeit?

Zum einen dürfte sie sprachlicher Euphemismus für nicht vorhandene Qualität sein. „Jetzt hat wohl jeder gesehen“, biß Berti unerwartet sein doch eigentlich perspektiv gedeutetes Aushilfsteam, „daß wir keine großen Alternativen haben.“ Wohl war. Brrr: Strunz, Eilts, Weber, Wagner sind kaum mehr als sogenannter solider Bundesliga-Durchschnitt, die Neuen Todt („habe solide Leistung gebracht“) und Schuster („das sollen andere beurteilen“) zeigten Bereitschaft, sich dem selbstgefälligen Mitläufertum unverzüglich anzupassen. Und Stefan Reuter? Spielte, als sei er nie weggewesen.

Ein magisches Wort gibt es, das viele nur noch vom Hörensagen kennen: Kreativität. „Zu wenig Kreativität“ hat Jürgen Klinsmann ausgemacht. Nun darf man nicht vergessen, daß die zuständigen Kräfte (Sammer, Möller, Basler) zuhause geblieben waren. Doch das Problem scheint grundsätzlicher Natur zu sein.

Es mehren sich die Anzeichen, daß diese triste Dumpfheit, die die Mannschaft über Fußballfelder und Interviewstudios ausbreitet, Ausdruck der mentalen Verfassung ihres Führungspersonals sein könnte. Berti Vogts ist ein guter Mensch, vielleicht. Vor allem aber trotzig. Weil die Welt schlecht zu ihm ist, bestraft er die Welt. Mit seiner Anwesenheit. Ein bißchen Rennen, ein bißchen Grätschen, mehr brauchten die unterirdischen Ungarn nicht zu tun, um die Deutschen hilflos zu machen. Und zuvorderst ihren Trainer. „Ich habe viel gesehen“, sagt der jetzt, „was ich nicht sehen wollte“, nämlich „Kampf, Einsatz und Bereitschaft, aber wenig Fußball.“

Ob das reichen wird demnächst gegen die bekanntermaßen bärenstarken Albaner, von denen Vogts sogar fürchten muß, daß sie „kämpferisch noch stärker und härter“ als die Ungarn sind? Keine Sorge, man müsse lediglich zu den berüchtigten „deutschen Tugenden“ zurückfinden: „also kämpfen, laufen und rennen“.

So spricht er dahin, der Bundestrainer. Doch wer hört ihn noch? Es sieht ganz aus, als hätten gerade seine Spieler den kleinen Mann bereits vergessen. Peter Unfried

Deutschland: Köpke - Matthäus (46. Reuter) - Kohler, Schuster - Strunz, Todt, Häßler, Eilts (46. Wagner), Weber - Klinsmann, Bobic (85. Marschall)

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