■ Standbild
: Sei's drum, Marcel

„Ungarn–Deutschland“, Mittwoch, 17.30 Uhr, ZDF

„Reporter ist“, so hat Dieter Kürten geseufzt, „Marcel Reif, der damit seinen Abschied gibt.“ Und dann hat er noch was gesagt, ein Wort nur: „Schade.“ Wohl wahr: Gerade 44 und mithin im besten Mannesalter, hat Reif gehen müssen. Zu RTL. „Ich würde lügen“, hat er gesagt, „wenn ich nicht den finanziellen Aspekt erwähnen würde.“ Und weiter eilig die bei RTL lagernden Rechte für die Champions League und Günther Jauch angeführt. Der hat da nämlich ein tolles Leben, macht mit dem Franz ein bisserl den Deppen und kriegt dann vom Gottschalk italienische Blondinen auf den Schoß gesetzt. Das Paradies! Und nur eines muß man dafür tun: positiv sein. Da allerdings heißt es sich umstellen. Denn Reif, der gelernte Politikjournalist, war nie ein Sportfuzzi, klopfte keine Schulter und sang auch die Nationalhymne niemals mit. Der war ein Mann der pointierten Nuancen. „Auch kein Papiergewicht“ – so einen Satz ließ er lässig fallen. Unvergessen wird bleiben, wie er bei der WM verkniffen-unrasiert in die Kameras blinzelte und jedesmal aufs neue vergaß, jenen Knopf zu drücken, der ihn auf Sendung gebracht hätte. Reif war kompetent, aber sachlich („hat schon 24 Länderspiele, heut macht er sein 25.). Das schöne Wort „Nicklichkeiten“ hat er zwar nicht erschaffen, aber bei dessen Einzug in die Umgangssprache tatkräftig mitgewirkt. „Sperenzchen“ mochte er keine, den Ausdruck schon. Ein deutliches Wort („sagen wir's deutlich“) hat er nie gescheut: Seine großartigen Reportagen waren eine einzige Anklage der verdümmelten Kollegenschaft und bewußte Auseinandersetzung mit deren schwülstigem Geschwafel voller schrecklicher sprachlicher Standardsituationen. „Der kleine Häßler“: so etwas wäre Reif nie über die Lippen gekommen.

Einer Nation, die sich aus den existentiellen Urängsten des Geworfenseins in die rettende Sicherheit des Fußballs verkriechen wollte, erteilte Reif eine klare Absage. „Die meisten Schwedinnen“, so hat er einmal in gnadenloser Dialektik aufgeklärt, „sind groß und blond.“ Aber: „Es gibt auch welche, die klein und dunkelhaarig sind.“ So war Reif! Die tröstende, die rettende Ausnahme. Und nun? Jodelt er im Stadl von Ilona Christen unterm Dirndl? Sagen wir's deutlich und weiß Gott ohne Sperenzchen mit seinen berühmtesten zweieinhalb Worten: Sei's drum. Peter Unfried