: „Weibliche Objektivität“
■ Betr.: „Pech für Papa“, taz vom 30.9.94, „Sexuelle Gewalt und pa triarchale Justiz“, taz vom 4.10.94
Vor ein paar Tagen las ich auf Eurer „lustigen“ Wahrheitsseite, daß drei Schwestern ihren Vater des Inzests über einen längeren Zeitraum beschuldigt haben, er monatelang im Gefängnis saß, dabei 40 Kilogramm abnahm, bis sich herausstellte, daß er unschuldig sein mußte, da zwei der Schwestern noch Jungfrauen waren.
Gestern las ich, daß von Rechtsanwältinnen eine Aufgabe des Schuldnachweises im Einzelfall zugunsten einer Bestrafung für einen Zeitraum, in dem bestimmter sexueller Mißbrauch stattgefunden habe, in einem Atemzug mit vorbeugender Inhaftierung, die bei Mittelschichtangehörigen „Wunder wirke“, gefordert wird. Anmerkung hierzu: Prügel wirken nach Meinung bestimmter Leute auch „Wunder“. Wie wäre es mit der Todesstrafe als Abschreckung oder Präventivmaßnahme?
Ich bin zwar auch der Meinung, daß Vergewaltigung eines der schlimmsten Verbrechen ist. Da von bestimmten Frauen mit dem Vorwurf der Vergewaltigung aber mehr als locker umgegangen wird, sollte sich niemand wundern, wenn eine so schwere Beschuldigung besonderer Überprüfung bedarf. Oder sollte man einen mutmaßlichen Mörder wegen der Schwere der Tat ohne Prozeß, der doch, soweit ich informiert bin, der Wahrheitsfindung dienen soll, gleich hängen?
Gerade weil bestimmte Frauen das „Recht“ beanspruchen, immer – ungeachtet der Tatsachen – Partei für Frauen, die gegen Männer Beschuldigungen erheben, zu ergreifen, ist von Seiten der zivilisierten Gesellschaft ein entschiedenes Infragestellen dieser Beschuldigungen meiner Ansicht nach dringend erforderlich. Die berühmte Vertreterin der Frauenbewegung Simone de Beauvoir hat sich meines Wissens gegen nichts entschiedener ausgesprochen, als daß es einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Objektivität gibt. Im Gegenteil, für sie war die Forderung von Frauen nach „weiblicher Objektivität“ reaktionär. Ich stimme ihr voll und ganz zu. A. Schmitz, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen