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■ Das PortraitOliver Tolmein

„Als wir noch eine linksradikale Bastion in Bonn hatten“, erinnern sich Veteranen hier in der Kochstraße, war Oliver Tolmein taz-Korrespondent am Rhein. Das war irgendwann zwischen 1986 und 1989, als die taz-Frauen noch pornostreikten und Wiglaf Droste in TV-Kritiken mit dem Kniescheibendurchschuß drohte.

Heute ist die taz Hauptstadtzeitung, und Tolmein wird Chefredakteur eines kriselnden Konkurrenzblatts, der Ex-FDJ-Zeitung Junge Welt. Sein Vorgänger- Trio wurde schon nach wenigen Monaten gefeuert, obwohl die Auflage offiziell langsam die 30.000er-Marke wieder überschreitet (Branchengerüchte sprechen aber von unter 20.000). Tolmein wurde dem Vernehmen nach deshalb eingesetzt, weil zwei seiner Vorgänger – wie er ebenfalls aus dem Dunstkreis von Redaktionsberater Hermann L. Gremliza – keinerlei Tageszeitungserfahrung hatten. Konkret-Herausgeber Gremliza bestimmt seit einem halben Jahr die Geschicke der JW, die bei der Mediengruppe Schmidt+ Partner (Titanic, Freitag) erscheint.

Tolmein gilt der einen Hälfte der Alt-tazler als „umgänglich“, der anderen dagegen als „starrköpfig-dogmatisch“. Mancher, der sein „rumpelstilzchenhaftes“ Auftreten haßte, lobt ihn als Themen-Scout und geschickten Vermarkter. Bei der JW wünscht er sich insbesondere den Inlandsteil „kritischer, kontroverser, weniger parteipolitisch fixiert“. Das Inland solle sich weniger an Grünen und PDS orientieren. Auch will der 33jährige mehr Frauen ins Blatt holen, das „sich zu sehr zum Männerprojekt entwickelt“ habe.

Und wie steht's mit der neuen „antideutschen“ Linie der JW? Der „antinationalen Fraktion“ gehöre er auch an, so Tolmein, schränkt jedoch ein: „Wichtiger Konflikt, aber kein Hauptwiderspruchs-Dogma“. Besonders wichtig sind ihm seine eigenen journalistischen Schwerpunkte Biopolitik und Rechtsextremismus/Medien. Damit ist Tolmein, der frühere Ökotest- und Konkret- Redakteur, derzeit als freier Autor präsent.

Neuer Chefredakteur Foto: A. Lesniewski

Obwohl bei der JW vorerst nur mit einem Halbjahresvertrag versehen, traut Tolmein der Zeitung ein Überleben durchaus zu und sieht sich keineswegs als „Notopfer Berlin“, das mal schnell einspringt: „Ich bin nicht gezwungen, diesen Job zu machen – aber ich will linke Positionen schärfen. Und es gibt nur ganz wenige Medienprojekte, in denen einer wie ich das auch redaktionell tun kann.“ Hans-H. Kotte

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