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Steinerne Totentanz-Mahnmale

■ Kunsthalle: Eine Kunstaktion zum Gedenken an AIDS-Tote

„Pflastersteine und St. Georg – erwarten Sie da keine Probleme?“ erkundigte sich die Polizei bei der Hamburger Kunsthalle, nachdem sie die Projektankündigung in der taz gelesen hatte. Die Kunst, die da solch aktuelle Brisanz hat, ist ein Projekt, das der Berliner Künstler und Verleger Tom Fecht für die Deutsche Aids-Stiftung „positiv leben“ durchführt.

Seit Beginn der Aktion „Namen und Steine“ 1992 im Rahmen der letzten dokumenta in Kassel hat er tonnenweise Pflastersteine bewegt. In Museen inszeniert und an öffentlichen Plätzen installiert dienen sie mit eingemeißelten Namen von bekannten und privaten Opfern der Krankheit als Mahnmal. Nach Berlin, Riga, Köln, Saint Tropez, Hagen und Bonn soll jetzt auch in Hamburg eine Steinsetzung nach dem Wunsch von Rainer Jarchow „Sensibilität wecken und Betroffenheit verstärken“.

Jarchow hatte 1987 die Stiftung gegründet und ist seit April diesen Jahres erster Hamburger AIDS-Pastor. Neben seiner Kirche in St. Georg wird das demokratische Monument ab Dezember auf Dauer in den Boden eingelassen werden. In Kreuzform, sowohl als „positiv“ wie als Todes-Zeichen zu lesen, sind jetzt 120 Namenssteine und ein Mehrfaches an noch nicht betroffenen Steinen in der Eingangsrotunde der Kunsthalle ausgelegt.

Tom Fecht sieht seine Inszenierung nicht als pathetisches Denkmal, eher als „Denkraum“ in der Form der „Nature Morte“ wie der Fachbegriff lautet, den die deutsche Übersetzung ins „Stilleben“ abwandelt. Im existentiell weiten Spannungsfeld von Liebe und Tod, Sex, Sucht, Leid und Siechtum rufen die Steine mitten in der geschäftigen Innenstadt den Tod als Teil des Lebens wieder ins Gedächtnis, eine moderne Formulierung der Totentänze in den Städten des Mittelalters.

Hajo Schiff

Hamburger Kunsthalle, bis 20. November. Vorstellung der Installation Sonntag um 12 Uhr. Namenssteine und eine Steinedition können gegen Spende ab 250 Mark bei der Stiftung bestellt werden und werden in spätere Installationen eingefügt.

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