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Moderater Linker

■ Betr.: „Porträt: Volker Beck“, taz vom 8.10.94

O.K. Wir haben verstanden: Herr Kotte mag Volker Beck nicht. Aber ist das ein Grund, ihm das Wort im Munde herumzudrehen?

Volker Beck tourt gegenwärtig landauf, landab durch Deutschlands schwul-lesbische Gemeinde, um für gleiche Rechte und für Zweitstimmen für die grüne Partei zu werben. Wer ihn gehört hat, weiß, daß in Kottes Porträt des schwulen Bundestagskandidaten manches mißraten ist. Nur zwei Beispiele:

Der Autor legt dem Kandidaten die Vision in den Mund, er wolle die Kategorie der Homosexualität zum Verschwinden bringen – eine absurde Befürchtung des fundamentalistischen Flügels der schwulen Bewegung, der offensichtlich unter einer chronisch verlaufenden politischen Identitätsschwäche leidet.

Wenn Beck für ein Antidiskriminierungsgesetz wirbt, damit die sexuelle Identität nicht mehr BürgerInnen erster und zweiter Klasse schafft, dann verschwinden „die Kategorien schwul, lesbisch und hetero“ lediglich als Grundlage rechtlicher Diskriminierung. Unsere eigenständige Kultur und die Gay Community wird aus einer solchen Gleichstellungspolitik gestärkt hervorgehen.

Kotte moniert ferner, daß Beck die demokratischen Politiker beim Thema antischwule Gewalt nicht aus ihrer Verantwortung entläßt, sondern sie mit Fakten konfrontiert. Wer über Gewalt redet, darf über die Opfer nicht schweigen!

Unbestreitbar ist der Anstieg antischwuler Gewalt seit 1989. Schwule werden heute fünf- bis siebenmal häufiger Opfer von Raub oder Körperverletzung als der Durchschnittsbürger. Zwischen 25 bis 30 schwule Opfer von Tötungsdelikten zählt allein das BKA jährlich. „Doch für Schwule leuchten nicht einmal Lichterketten“, kritisiert Volker Beck das öffentliche Schweigen. Die Opfergruppe der Schwulen hat ja noch nicht einmal in die Sonntagsreden der Politiker gegen Gewalt Eingang gefunden.

Daß Beck von Kotte zum Realo gekürt wurde, wird man bei den Grünen allenfalls mit einem Schmunzeln vermerkt haben. Bisher galt er doch auch der taz als „moderater Linker“. Frank Hoyer, Köln

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